Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
zusammenschlagen ließen, da sie ihr gesamtes Gold versoffen hatten und auf anständiges Betäubungsbier hofften.
Einer dieser Heilkundigen war Molldur Moosriss, ein Kieferbieger, der sich gerade um einen Zwerg kümmerte, der seine Schneidezähne verloren hatte. Sein Patient lag auf einer Felsliege und blickte sich mit glasigen Augen in der Höhle um.
Kisten mit gebrauchten Zähnen standen neben Kisten voll mit künstlichen. An den Wänden neben dem Eingang hingen verzogene Wurzelholzschränke und dazwischen an rostigen Haken zahlreiche metallene Instrumente, die einem Zwerg mit Fantasie Angst gemacht hätten. Auf der Rückseite der Höhle gab es einen Vorhang, der in einen Hinterraum führte. Alles war derart sauber und ordentlich, dass vermutlich selbst noch die zahllosen Zähne in den Kisten und Fässern komplett durchnummeriert waren. An den Wänden glühte ein gutes Dutzend Leuchtkäfer in ihren Käfigen.
Die Augen des Patienten glitten über riesige Gläser mit Egeln, Pulvertiegel und Verbandsschatullen hinweg, auf der Suche nach dem Fässchen mit Betäubungsbier. Günstiger konnte man sich nicht in den Schlaf trinken. Neben einem kompletten Satz Granitzähne und einer Backenzahnsprengkapsel entdeckte er schließlich ein verheißungsvolles kleines Fass, das an der Wand stand. Der Patient öffnete den Mund zu einem zahnlosen Lächeln.
Moosriss fuhr ihn an: »Vergangene Woche! Vergangene Woche, du räudiger Dreckszwerg, hast du von mir zwei neue Schneidezähne bekommen! Und jetzt? Wo sind sie jetzt?«
Aus Bleichmarmor waren sie gewesen. Geschliffen und poliert. Zwei Schmuckstücke sondergleichen.
»If glaub, fie muffen noch irgenfo unterm Tiff liegen.«
»Irgendwo unterm Tisch?« Moosriss klang aufgebracht.
»Fulligung. Wie ftehtf mit Betäubung?« Mit einem irgendwie unvollständig anmutenden Lächeln reckte der Zwerg dem Kieferbrecher seinen Humpen entgegen, den er seit der Schlägerei nicht losgelassen hatte.
Moosriss nickte kurz, drehte sich um, und machte missmutig einen Schritt in Richtung des Fasses. Das Lächeln des Schneidezahnlosen wurde breiter, und Moosriss überlegte, ob er, Fortschritt hin oder her, nicht doch wieder mit der alten Hammermethode betäuben sollte…
Er hatte das Fass noch nicht erreicht, als der Vorhang am Eingang der Höhle aufgerissen wurde. Zwei Zwerge traten ein. Finstere Gesellen, deren Stammeszeichen irgendwie merkwürdig aussahen und deren Bärte, wenn man genau hinsah, nicht zu ihren Gesichtern passten. Moosriss musste jedoch nicht genauer hinschauen. Er wusste, wer sie waren, und diese trügerischen Stammeszeichen sah er nicht zum ersten Mal. Wütend ging er auf die beiden Zwerge zu und zischte durch die Zähne hindurch: »Aber ihr könnt doch nicht einfach… Ich, ich habe einen Patienten, und…«
Einer der beiden fiel ihm ins Wort. »Ist er fertig?«
»Ja, natürlich ist er das, ein Meisterwerk, ein Jahrtausendstück. Für euer Gold bekommt ihr…«
»Wo ist er?«
Verwundert blickte der Zwerg mit den fehlenden Schneidezähnen auf seiner Felsliege zwischen den Männern hin und her und zuletzt wehmütig in Richtung des Fasses.
Moosriss blickte über die Schulter zu seinem Patienten zurück und flüsterte: »Hinten in der Kammer. Ich denke, er braucht vielleicht noch einen Tag Ruhe, aber dann…«
Er hatte noch nicht ausgesprochen, als die beiden Fremden beinahe zugleich zwei Eisenrohre hervorrissen, sie an den Mund setzten und im nächsten Moment wieder unter ihren Mänteln verschwinden ließen.
Ungläubig spürte Moosriss einen seltsam stechenden Schmerz direkt über dem Bartansatz. Seine Hände zuckten zum Gesicht hoch. Er kannte diesen Schmerz, er war ihm seltsam vertraut, aber zugleich… Es war ein Egel, mit Sicherheit ein Egel, aber…
Egelblasrohre waren ehrlose, geächtete Waffen. Und für gewöhnlich hätte kein Zwerg es jemals gewagt, ein solches gegen seinesgleichen zu erheben, zumal dies gegen die höchsten aller zwergischen Gesetze verstieß. Doch diese Zwerge scherten sich nicht darum. Sie waren der Neue Stahl!
Moosriss wurde erst schwindelig und dann schwarz vor Augen. Er taumelte zurück, drehte sich einmal um sich selbst und stürzte schließlich tot zu Boden.
Der Schneidezahnlose sah den schwarzen Egel im Gesicht des Kieferbiegers, bevor dieser zu Boden ging. Für einen kurzen Schlag wunderte er sich. Dann erst bemerkte er den Egel auf seinem eigenen Arm und fiel im nächsten Moment tot von der Liege.
Die beiden Angreifer verschwendeten
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