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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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die gesperrt gedruckten Überschriften. Da!
    »Ein freches Piratenstück im Golf von Mexiko!«
    Er las…
    Der Überfall war anscheinend schon vor Tagen passiert. Der Bericht der Augenzeugen war es. Der letzte Satz: »Ein Passagier, Miss Christie Harlessen, Kontoristin aus New York, wird seit der Stunde des Überfalls vermißt. Man vermutet, daß sie von den Piraten mitgeschleppt wurde, wobei allerdings auffällt, daß niemand die gewaltsame Entführung gesehen hat.«
    Uhlenkort las… immer wieder lasen seine Augen diese Worte. Der Atem stockte ihm, seine Hände umkrampften das Blatt.
    Christie geraubt! Unmöglich! Von wem? Warum? Lösegeld?
    Von einer kleinen Kontoristin… und doch! Doch konnte es sein… ihr Name: Harlessen… vielleicht war er den Piraten aufgefallen. Sie hatten erfahren, daß sie mit dem Präsidenten der Europäischen Union nah verwandt sei. Im Geiste versetzte er sich auf das Schiff, sah, wie Christie, von rauhen Fäusten aus ihrer Kabine gerissen, in das Räuberschiff gebracht wurde.
    Jäh sprang er auf, eilte zu dem Arbeitstisch. Johannes mußte helfen… Er konnte es! Was konnte der Freund nicht?
    Er rüttelte an dessen Schultern, sprach zu ihm. Dieser schien nichts zu fühlen, nichts zu hören. Seine Hände arbeiteten an einem mechanischen Werk, seine Augen waren darüber geneigt, jede Bewegung verfolgend, prüfend. Uhlenkort trat zurück. Er durfte ihn nicht stören. Er stellte sich zur Seite, wartete in fieberhafter Ungeduld. Die Sekunden wurden ihm zu Minuten, die zu Stunden… unerträglich…
    Da, endlich! Der andere richtete sich auf, wandte sich zu ihm.
    »Was ist? Was wolltest du?«
    Uhlenkort wies ihm die Zeitungsnotiz. Mit fliegendem Atem stammelte er ein paar erläuternde Worte.
    »Hilf mir, Johannes! Hilf mir! Du kannst es! Ich weiß es.«
    Der schüttelte den Kopf.
    »Nein! Du irrst. Ich kann dir nicht helfen, ich kann dir nichts sagen, ich darf es nicht…«
    Die letzten Worte, in leisem Flüsterton gesprochen, Uhlenkort hatte sie doch vernommen.
    »Du darfst es nicht?« schrie er. »Du kannst es und willst es nicht?«
    Der Freund wandte sich ab zu dem breiten Südfenster, starrte lange hinaus.
    »Ich könnte es… vielleicht…«, murmelten seine Lippen.
    »Nein!« Mit dem Wort hatte er sich umgewandt, trat auf Uhlenkort zu.
    »Nein! Ein Mißbrauch war’s! Ich will nicht! Du, der du tiefer in mein Innerstes geschaut hast als irgendein anderer Sterblicher… du, der du weißt, was das Schicksal mir auferlegte, weißt, daß meine schwachen Schultern die Bürde kaum zu ertragen vermögen… weißt, daß ich alles, was ich tue… tue… weil das Schicksal es will, der du weißt, daß die Macht, die in meine Hände gelegt ist, von ihm kommt… Das Walten des Geschickes… rätselhaft… unbegreiflich, dir… mir, dem Diener, den er sich auserkoren… Mißbrauch, Frevel wäre es! Ich kann es nicht! Ich will es nicht!«
    Uhlenkort starrte in das Gesicht des Freundes. Von Jugend an kannten sie sich. Nie hatte er es so gesehen. Die tiefe Blässe, die stets darauf geruht, war verschwunden, einer leichten Röte gewichen. Die blauen Augen – ein leichter Schleier hatte stets darüber gelegen – leuchteten, wie wenn ein heiliges Feuer sie entzündete. Statt der sanft geschwungenen Lippen des zarten Mundes ein messerscharfer roter Strich an ihrer Stelle. Die schmächtige, leicht vorn übergeneigte Gestalt stand hoch aufgerichtet da. Uhlenkort war zurückgetreten, sah zu ihm hinüber. War das Johannes Harte? War das der Freund seiner Jugend?
    »Du wirst sie wiedersehen, die Verlorene, sei’s dir ein Trost! Doch vergiß es nicht, daß auch dir das Schicksal zu tragen gegeben hat, schwer, schwerer als vielen anderen Sterblichen. Daß auch du sein Diener bist, bestimmt zu Großem, bestimmt, vielen Tausenden zu helfen, ihre Not zu lindern… Sie…«, der starre Ausdruck seines Gesichts milderte sich, »…sie ist in Not, einer Not, klein gegenüber der der Tausende. Du tust dein Werk, wie das Schicksal es will. Ich will das meine tun. Als du kamst, tat ich den ersten Schritt…«
    Und dann war es wieder der alte Freund, der Johannes Harte, wie er ihn von Jugend auf kannte.
    »Wir wollen einen Gang über die Insel machen. Komm mit mir.«
    Sie standen an einer vorspringenden Klippe. Unter ihnen die brausende, rauschende Flut. Zur Seite der Hafen. Ein ankommendes Schiff. Die Landungsbrücke war herunten, ein Strom von Menschen eilte über sie hinweg, auf das Schiff.
    Uhlenkort sah es.

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