Auch Deutsche unter den Opfern
nicht, laut toxikologischem Befund schwammen Alkohol, Marihuana und Kokain im Falco-Blut. Es habe ihn zum Schluss niemand mehr im Griff gehabt, sagt Mahr, »da unten, in seinem depperten Exil, in dieser Karibik für Oarme – DomRep, also wirklich«. Mit Bordellbesitzern und anderen Zwielichtsgestalten habe er sich dort umgeben, ein verlängerter Selbstmord sei es gewesen. Heindel widerspricht heftig: »Dann lädt man sich doch keine Leute mehr ein und bucht sogar Flüge für sie!« Jetzt wird Mahr etwas ungeduldig: »Verlängert hab’ i’ g’sagt!«
Heindel zündet sich eine Zigarette an, in Österreich darf man noch überall rauchen. »Er war ein Suchender«, sagt sie zum wiederholten Mal und schaut bedeutungsvoll aus dem Fenster, zum Stephansdom. »Des hamma schon g’sagt«, nörgelt Mahr und wedelt vorwurfsvoll Heindels Zigarettenrauch aus seinem Atembereich, dieses Gerauche überall in Wien stört ihn sehr, Wien sei halt Balkan, sagt Mahr. »Geh nach Köln und gib a Rua!«, empfiehlt Spiegel. Mahr liebt es, so angewienert zu werden, alle paar Wochen kommt er hierher, dann fühlt er sich wieder wie ein Mensch hernach, sagt er.
Falcos Grabstätte – Tor 2, Gruppe 40, Grab 64 – ist mit Abstand die auffälligste, geschmackloseste und natürlich eine der meistbesuchten auf dem Zentralfriedhof. Frische Blumen liegen dort, Kerzen brennen, dazwischen flattern im Wind ein paar Fanbriefe, jede Woche neue. Auf einer großen Glasplatte ist Falco mit schwarzem Umhang abgebildet, so wie auf dem Cover seiner Platte »Nachtflug«. Im Titellied sang er: »Er bucht den Nachtflug einmal täglich / Zur Sicherheit den Heimweg auch / Lichtjahre Luxus – vergeblich / Es bleibt beim harten Puls im Bauch.« Hans Mahr faltet die Hände und schließt die Augen.
Als Hans Hölzels Mitsubishi Pajero frontal mit einem Bus kollidierte, am 6. Februar 1998, war er sofort tot, der Hölzel, der Falco. Polytrauma, multiples Organversagen, nichts zu retten. Eine bittere Obduktionspointe am Rande: Herzriss. Das Herz, sang doch Falco einst, geht so lang zum Messer, bis es sticht. Mahr hat bei der Beerdigung gemeinsam mit Rudi Dolezal zu den Klängen von Falcos Dylan-Interpretation »It’s all over now, baby blue« den Barhocker, auf dem sitzend Falco dieses Lied in Konzerten immer gesungen hatte, dem Sarg hinterdrein ins Grab geworfen. »Was vorbei is, is vorbei – Baby Blue«, sang Falco vom Band, man konnte es weithin auf dem Zentralfriedhof hören.
»Ohne Wien ging’s nicht – und mit Wien schon gar nicht«, sagt Mahr, verneigt sich und geht von dannen, zurück nach Köln, wo nicht so viel geraucht wird wie in Wien. In Wien rauchen sogar Friseure während der Arbeit: Michael Patrick Simoner zum Beispiel. Tagsüber schneidet er rauchend Haare, und an ungefähr 200 Abenden im Jahr tritt er als Falco auf. Maria Hölzel habe ihn »quasi adoptiert«, sagt er; nachdem sie seinen ersten Auftritt als Falco-Wiedergänger gesehen hatte, habe sie ihn gar »sozusagen autorisiert«, die Lieder ihres Sohnes zu singen, und damit er das noch wirkungsvoller tun kann, hat sie ihm die gesamte Bühnengarderobe des Toten zur Verfügung gestellt. Der ganze Salon hängt voll mit Falco-Bildern, denkt man auf den ersten Blick, doch sind das durchweg Bilder des Friseurs – in Falco-Kostümen. Die Wiener Falco-Spezialisten sagen, Simoner sei »a bissl oarg, a bissl mühsam«, er haltesich ja mittlerweile tatsächlich für den Falco auf Erden. Simoner schießt zurück, Schere und Zigarette in der Hand, er ist jetzt sehr aufgeregt: »Nehmen S’ zum Beispiel den Falco-Film, so was ist doch das Hinterletzte, Leichenfledderei!« Alles darin sei gelogen, das fange ja schon bei den Kostümen an, Fälschungen seien das, die Originale habe schließlich er. Ist nicht der Film ein, nun ja, Film? Papperlapapp! Eigentlich sei er die erste Wahl für den Hauptdarsteller gewesen, sagt Simoner, das solle man nicht unbedingt schreiben, aber so sei es gewesen, nur habe er es dann nicht gemacht, weil »der Mutter«, also Maria Hölzel, das Drehbuch nicht gefallen habe. Zum Beispiel schmeiße Falco im Film eine Frau auf einen Glastisch, und, Verzeihung, so sei das ja gar nicht gewesen. Falco selbst sei einmal besoffen auf einen Glastisch gefallen, Simoner weiß sogar noch, woher er da gerade kam, der Falco. Simoner war praktisch dabei. Man könnte fast sagen, dass Simoner selbst auf den Glastisch gefallen ist. Ein Hund kommt herein, der tatsächlich Falco heißt. Simoner
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