Auf Umwegen ins Herz
Kapitel 1
Die Nachricht
Knapp fünf Monate später, Ende April:
Erschöpft fiel ich auf mein Sofa. Arme und Beine streckte ich von mir und streifte die Schuhe von den Füßen. Der Arbeitstag war wieder sehr anstrengend gewesen. Ich war erleichtert, ihn endlich überstanden zu haben und mich nun zu Hause entspannen zu können. Ich beschloss, einen guten Wein aufzumachen und mir ein heißes Schaumbad zu gönnen.
Ich stemmte mich aus dem Sofa hoch und schaltete auf dem Weg zur Küche meine Stereoanlage an. Leise summte ich mit, während ich einen eiskalten Chardonnay entkorkte und den Wein einschenkte.
Im Badezimmer ließ ich das Wasser ein und gab reichlich Schaumbad hinein. Gedämmtes Licht und ein paar Teelichter rundeten das wohlig-entspannende Ambiente ab. Es dauerte nicht lange und der Raum war erfüllt von heißem Dampf, der nach Rosen duftete. Die Musik konnte ich auch von hier gut hören, weil ich die Tür nur angelehnt hatte.
Die Müdigkeit steckte fest in meinen Knochen, und ich konnte es kaum erwarten, ins heiße Nass zu tauchen. Das Weinglas stellte ich auf den Wannenrand ab, bevor ich vorsichtig in die Wanne stieg. Entspannt schloss ich die Augen und ließ mich von der ruhigen Musik der 1960er und 1970er Jahre berieseln, die ich so sehr liebte. Sie versetzte mich in eine Friede-Freude-Eierkuchen-Traumwelt. Und das war genau das, was ich im Moment auch brauchte.
Meine Augenlider wurden schwer. Ich konnte ein herzhaftes Gähnen nicht unterdrücken und musste lächeln. Wie schön, dass Freitag war und ich nun zwei Tage Zeit hatte, mich von der stressigen Arbeitswoche zu erholen.
Ein „Pling“ ließ mich hochschrecken. Das Wasser war kühl geworden, die Musik zu Ende und die Teelichter erloschen. Mein Weinglas stand noch immer unberührt dort, wo ich es abgestellt hatte. Leicht benommen von meinem Nickerchen versuchte ich, dieses Geräusch zuzuordnen.
Das flauschige Badetuch um mich gewickelt, stieg ich aus dem Wasser. Vorsichtig, um nicht auszurutschen, ging ich zum Lichtschalter. Das plötzlich helle Licht blendete meine Augen. Wie lange ich wohl geschlafen hatte? Ich ließ das Wasser aus der Wanne und probierte einen Schluck Wein, der aber viel zu warm geworden war. Als ich das Glas in die Küche tragen wollte, fiel mein Blick auf mein Smartphone. Es blinkte, offensichtlich war eine Facebook-Nachricht eingegangen.
Ich nahm es mit und setzte mich auf einen Barhocker in der Küche. Dann öffnete ich die Message.
Julian König:
Hallo, liebe Jana!
Womöglich bist Du gar nicht die, die ich suche. Warst Du zufällig Mitte der 90er Jahre in der Jugendgruppe „Boot“? Falls ja, wäre es super, wenn wir wieder in Kontakt kämen.
Liebe Grüße, Julian König
Was sollte das jetzt?
Ich las die Nachricht ein zweites Mal, spürte, wie mein Herz wie wild zu klopfen begann, und war deshalb noch verwirrter als beim ersten Lesen. Dann sah ich, dass dieser Julian noch online war. Als hätte ich mir die Finger verbrannt, legte ich mein Smartphone sofort auf den Küchentresen. Ich hielt mein Badetuch fest, so, als ob er durch mein Handy sehen könnte, dass ich bis auf den Frotteestoff nackt war.
Mein Herzschlag wollte sich nicht beruhigen, und zu allem Überfluss schoss mir noch die Hitze ins Gesicht. Ich ärgerte mich über meine kindische Reaktion, immerhin war es doch nur eine ganz normale Nachricht auf Facebook.
Ich atmete ein, straffte die Schultern und beschloss, mir zuerst etwas anzuziehen, bevor ich die Nachricht noch einmal lesen, geschweige denn darauf antworten würde. Falls ich das überhaupt machen würde.
Keine fünf Minuten später saß ich mit meinem Laptop auf der Couch, das Weinglas, nachgefüllt mit eisgekühltem Chardonnay, stand neben mir auf dem Beistelltisch. Ich las die Nachricht erneut und klickte anschließend auf den Namen.
Sein Profilfoto war nicht sehr aussagekräftig. Eine grüne Wiese im Vordergrund, im Hintergrund die Silhouette eines Mannes. Mehr wurde mir nicht verraten, denn alle anderen Bilder, Beiträge und Informationen – falls überhaupt vorhanden – waren für Nicht-Freunde blockiert. Ich zögerte. Zum zweiten Mal in sechs Monaten verfluchte ich das Social Network und seine Möglichkeiten, Menschen zu verknüpfen. Andererseits wollte ich nur zu gerne in seinem Profil stöbern und mehr über ihn erfahren, bevor ich ihm antwortete. Herausfinden, ob Julian König wirklich der Julian war.
Aber seien wir mal ehrlich, wer sollte es sonst sein? Seine Hinweise
Weitere Kostenlose Bücher