Auf und davon
trauen.“
„Nathan hat angefangen“, sagte Julia
der Ehrlichkeit halber. „Dich habe ich nicht gefragt“, erwiderte Mrs. Henrey
scharf. Schweißperlen standen auf ihrer dicken Nase. Ihr Kleid war verschwitzt
und klebte am Körper. Sie fragte sich, ob der Gang zum Park tatsächlich eine so
gute Idee gewesen war. „Nathan, du kommst jetzt zu mir nach vorn. Julia, du
mußt dann eben allein gehen. Und wenn jetzt noch irgendeiner Ärger macht, gehen
wir augenblicklich in die Klasse zurück und machen... äh... einen Rechtschreibtest.“
Nathan grinste boshaft. Nichts wäre ihm
lieber gewesen, als zur Schule zurückzugehen und einen Rechtschreibtest zu
machen. In Rechtschreiben war er super. Das war eines seiner besten Fächer.
Seine anderen besten Fächer waren Lesen und Aufsatzschreiben. Nathan überlegte,
was er Schreckliches anstellen könnte, damit Mrs. Henrey sie alle zur Schule
zurückschicken und einen Rechtschreibtest mit ihnen machen würde. Die anderen
kümmerten ihn nicht. Sollten sie doch um ihren blöden Schlagball kommen.
Doch während Nathan noch überlegte,
verstrich die Gelegenheit, und bald hatten sie den Park erreicht. Es gab
Schatten dort, und alles war grün, trotzdem haßte Nathan den Park wegen des
schrecklichen Spiels, zu dem man ihn zwingen würde. Das grausame, erniedrigende
Schlagballspiel, bei dem der harte Ball aus dem Nichts auf ihn zuschießen
würde. Selbst mit Brille waren Dinge wie heranfliegende Bälle für ihn schwer zu
erkennen. Er traf sie nicht, traf nie, und sein Versagen wurde vom Grölen der
anderen begleitet, vom Grölen all derer, die gut Schlagball spielten. Niemand
spielte schlechter als er. Ausgenommen Julia natürlich.
„Sharon und Paul, ihr seid die
Mannschaftsführer und stellt eure Mannschaft zusammen“, sagte Mrs. Henrey.
„Mir tut der Fuß weh“, sagte Julia in einer
plötzlichen Eingebung. „Ich kann nicht damit laufen.“
„Dann lauf mit dem anderen“, sagte Mrs.
Henrey unbarmherzig.
Das Auswählen der Mannschaften ging
gnadenlos vonstatten. Zuerst wurden die guten Spieler gewählt, dann die
mittelmäßigen und schließlich die schlechten. Bis zum unvermeidlichen Schluß
die beiden Unerwünschten übrig waren — schamrot und verlegen, aber heftig
bemüht, so zu tun, als mache es ihnen nichts aus.
„Wir nehmen Nathan“, sagte Paul. Er
hatte den Streit schon wieder völlig vergessen.
„Okay, dann nehmen wir Julia“, sagte
Sharon.
Sharon war dunkelhäutig, kräftig, gut
im Sport und bei allen Spielen und überall ausgesprochen beliebt. Julias
größter Wunsch wäre es gewesen, Sharons Freundin zu sein. Genausogut hätte sie
sich die Königin von England zur Freundin wünschen können.
Die Unerwünschten trotteten widerwillig
zu ihrer jeweiligen Mannschaft. Pauls Mannschaft schlug zuerst, so daß Julia
auf der Seite der Fänger war. Sie stellte sich ungefragt ans hintere Ende des
Feldes, so weit wie möglich vom Ball entfernt. Niemand machte ihr den Platz
streitig. Wo Julia stand, kümmerte niemand. An den Laufmalen war eine ganze
Menge los, es wurde gebrüllt und angefeuert und auf und ab gesprungen, aber für
Julia war das alles weit weg. Sie überließ sich einem verschwommenen Tagtraum,
in dem Mrs. Henrey sie bat, nach dem Unterricht noch ein wenig dazubleiben und
aufzuräumen.
Plötzlich geschah alles gleichzeitig.
Julia hörte Ohhh-Rufe, und der gefürchtete Ball kam auf sie zugeflogen. „Fang!“
hörte Julia. Im besten Bemühen, aber ohne Hoffnung stolperte sie auf den
heranfliegenden Ball zu. Natürlich verfehlte sie ihn. Was noch schlimmer war,
sie stolperte über ein Grasbüschel und fiel der Länge nach hin. Höhnisches
Aufstöhnen klang ihr in den Ohren.
„Hol ihn! Wirf ihn! Hierher!“ rief ihre
Mannschaft immer noch.
Mit Grasflecken an den schmerzenden
Knien rappelte Julia sich auf. Sie fand den Ball und warf ihn blind,
ungeschickt, wirkungslos. Er fiel in kurzer Entfernung zu Boden, was sie gewußt
hatte, und als die anderen johlten, drehte sie ihnen den Rücken zu. Sie
schluckte hart. In ihren Augen brannten Tränen. Wollte dieser schreckliche
Nachmittag denn nie ein Ende nehmen?
Nathan war an der Reihe zu schlagen.
Voller Haß auf das Spiel holte er aus, als der Ball auf ihn zukam. Er erwartete
nicht, daß er ihn traf, er hoffte nur, daß er ihm nicht ins Gesicht flog und
seine Brille zerbrach — was dann das dritte Mal in diesem Schuljahr gewesen
wäre.
Als der Ball an seinem Ellbogen
vorbeiflog, begann Nathan zu
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