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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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Farben unter endlose Regalreihen und Kellerdecken (siehe Abb. unten).

    Ein Schrank kam mir besonders seltsam vor. Er war als einziger versiegelt, allerdings nur mit einer billigen Schnur. Dieses Siegel hätte ich sogar mit meinem Taschenmesser vorsichtig lösen und dann wieder ankleben können. Es interessierte aber offenbar ehniemanden. Auf die Frage, was in diesem Schrank »versiegelt« sei, bekam ich die Antwort: »Das sind Stalins persönliche Gegenstände  …  seine Pfeife und so was.« Der zumindest für meine Augen laxe Umgang mit solchen sonst oft in Staatsmuseen ausgestellten Dingen verwirrte mich. War nicht sogar Helmut Kohls Strickjacke ein bewundertes Ausstellungsstück im Bonner Haus der Geschichte? Gehörten da die persönlichen Gegenstände von zumindest nach außen hin maßlos übersteigert verehrten Führungsgestalten nicht auch entweder in eine Hochsicherheitskammer oder hinter Panzerglas?

    Doch wohin wir auch kamen, es war überall das Gleiche: Der Eingang des Staatsarchivs wurde von einem vielleicht siebzehnjährigen Soldaten bewacht, und in der Geheimdienstzentrale hingen keine Gemälde an der Wand, sondern die – allerdings sehr hübschen – Deckel von Pralinenschachteln. Auch das Rauchverbot im KGB war nicht ganz ernst zu nehmen: Das Schild hing falsch herum, sodass der Qualm nach unten zog. Ich steckte mir also erstmal eine Pfeife an (meine eigene, nicht die von Stalin) und überlegte.
    Das Ziel unserer Tour durch Moskau war es, Dinge zusammenzutragen, die noch nie zuvor und auch später nie wieder ein Forscher so detailliert untersuchen durfte. Dazu gehörten nebeneinem Schädelstück aus dem Hof des Führerbunkers vor allem die angeblichen Zähne Hitlers. Uns wurden aber auch eine Art Entgiftungsbox, die Pistolen von Goebbels und Hitler, die Lehne des Sofas, auf dem sich die Hitlers erschossen hatten, und – für mich am interessantesten – die handschriftlichen Originalerinnerungen einiger Personen aus dem Führerbunker vorgelegt. All das war in mehreren Instituten verstreut. Die wenigen Kollegen, die Zugang zu den Beweisstücken hatten, durften oft nur alte Schwarz-Weiß-Fotos ansehen oder ohne Kamera einen raschen Blick auf die Gegenstände werfen. Selbst der KGB-Agent, der mir half, kannte nur die Gegenstände aus seiner Behörde, nichts anderes.

    Im Laufe der Jahre kamen noch weitere spannende Fundstücke hinzu, beispielsweise die Röntgenbilder von Hitlers Kopf, als er noch lebte. Das alles geschah auf teils sehr abenteuerlichen Wegen, wie ich gleich berichten werde. Wer sich mit Hitler einlässt, und sei es nur mit seinen Überresten, braucht neben starken Nerven auch reichlich Widerstandskraft gegen Verfolgungswahn.
Ein Schädel ohne Zähne
    Doch zurück zum eiskalten, spiegelglatten Roten Platz. Nachdem das Team von National Geographic dort mit mir den Keller voller Lenin-Figuren angeschaut und gelernt hatte, dass hier einiges anders aufbewahrt wird als erwartet, gelangten wir zum Lenin-Mausoleum. Ich war mir nicht ganz sicher, was das mit Hitler zu tun haben sollte, ließ mich aber überraschen. Und wirklich – der Präparator von Lenins Leiche, mit dem wir am Vorabend gesprochen hatten, berichtete nun von seinem gefährlichen Job. Je nachdem, welcher politische Wind gerade wehte, war es mal besser und mal schlechter gewesen, die Leiche des eigentlich verehrten Staatslenkers zu pflegen. Auch hier lernte ich also etwas: Nämlich dass politische Strömungen keineswegs so nachvollziehbar verlaufen, wie ich mir das als Biologe mit einem guten Schuss Naivität vorgestellt hatte. Dass dieses Alarmlicht (»Achtung, es könnte alles anders sein, als es scheint«) nun auch für mögliche Hintergründe unserer Schädeltour angeschaltet war, half mir bei unserer nächsten Station, dem Staatsarchiv.

    Das Merkwürdige dort war nämlich, dass es sich um eine nichtgeheimdienstliche Organisation handelt. Warum also sollte Hitlers Schädel dort liegen? Schließlich hatte der militärische Geheimdienst Smersch (Смерш) die beiden verkohlten Hitlers (Adolf undEva) aus ihrem flachen Erdloch ausgebuddelt. Hierzulande ist der Smersch höchstens aus den James-Bond-Romanen Casino Royale , Leben und sterben lassen und Goldfinger bekannt – Bond hat dort eine Rechnung mit dem Smersch offen, weil ihm Agent »Le Chiffre« alias »Die Nummer« das russische Zeichen »Sha« (ш) für »Spion« in die linke Hand schnitt. In den Filmen heißt die Einheit allerdings nicht Smersch, sondern

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