Bad Hair Years
Kundengespräch, ich weiß ja noch nicht mal, was ich koste, so pro Stunde.
Meine Vergangenheit als Vorstandsassistentin macht sich bezahlt, mit Männern in Anzügen vor Flipcharts in Konferenzräumen kenne ich mich aus. Ich zeige mich charmant, interessiert, nicke wissend und stelle sogar die eine oder andere Zwischenfrage. Eine Stunde später habe ich nicht nur den Auftrag in der Tasche, sondern auch einen Arbeitsplatz im dortigen Büro, so oft ich will. Die vollständige Verwahrlosung im Home Office droht also vorerst nicht.
Hinter meiner professionellen Texter-Fassade allerdings rumorte meine innere Sekretärin gehörig. Ich musste an mich halten, um nicht Mäntel abzunehmen, Kaffee einzuschenken, Getränke zu reichen, Kopien zu machen.
So grün ist das Gras also auf der anderen Seite. Gefällt mir.
Im Home Office
Home Office, eine Welt voller ungeahnter Möglichkeiten, Küche putzen zum Beispiel. Nachdem ich jahrelang jeden Morgen das Haus verlassen musste, zu früh für meine Begriffe, erscheinen mir die selbst gemachten Arbeitszeiten wie das Paradies. Es geht mir nicht ums Ausschlafen, ich habe mich in den letzten Jahren zu einer konsequenten Frühaufsteherin entwickelt und auch keinerlei Probleme damit. Ich mache mir weiterhin Kaffee, dusche und ziehe mich an, inklusive Make-up und allem. Meine Rumgammel-Outfits trage ich, wenn ich rumgammle, wobei ich hier lieber von Wellness-Tagen rede, das hört sich einfach besser an. Jedenfalls, wenn der DHL-Bote klingelt, habe ich immer eine Hose an. Worin liegt dann der Vorteil? Ich weiß es auch nicht. Vielleicht mag ich die Tatsache, dass ich den Zeitpunkt, an dem ich in die Welt raus muss, selbst bestimmen kann.
Leider auch den Zeitpunkt, an dem ich mit der Arbeit anfange. Zum Thema Prokrastination muss wohl nichts mehr hinzugefügt werden, ich möchte nur anmerken, dass die Mär von der super-sauberen Wohnung auch tatsächlich eine ist. Was mich betrifft. Bevor ich die Fenster putze, um einem leeren Blatt zu entgehen, fällt mir garantiert noch was anderes ein. Irgendein Brot backen, zum Beispiel, dessen Rezept gerade quer durch die Blogs getrieben wird. Das ist mir wirklich schon passiert.
Ansonsten schaue ich aus dem Fenster oder in den Kühlschrank und warte darauf, dass Inspiration, Motivation und Konzentration endlich vom Spielen nach Hause kommen. Tun sie selten, würd ich auch nicht.
Was auch geht: Darauf warten, dass der Weißwein den ersten Satz schreibt. Leider wähnt man sich nach einem Glas zu viel schnell kurz vor sämtlichen Förderpreisen, am nächsten Tag aber steht da »ssliueroskajreiewrnka.yv,jaoeuron«, also irgendwas über einen isländischen Vulkan.
Gott sei Dank sind viele Auftraggeber froh, ihren Freien auch mal beim Arbeiten zusehen zu können, und beordern einen ins Büro. Mir nur recht. Die Rauchpausen machen mehr Spaß, wenn man jammert, hört auch jemand zu, und mir ist auch noch kein Büro ohne Süßigkeitenschublade untergekommen. Ganz im Gegensatz zu meiner Wohnung.
Im Café
Wenn es zu Hause gar nicht laufen will, setz ich mich ins Café. Es hat gedauert, bis ich mich das getraut habe und mir nicht mehr blöd vorkam. Als Back-up trage ich allerdings immer noch Mützen, vielleicht, um meine Kreativität zur Schau zu stellen, vielleicht aber auch, weil ich schlicht zu faul war, mir die Haare zu waschen.
Die Arbeit im Café hat einen unschätzbaren Vorteil: Man fühlt sich ein bisschen beobachtet, sieht also zu, dass man nicht nur in die Luft starrt. Man kann einen verzweifelten »Mir fällt nichts ein«-Blick auch in eine Denkerpose verwandeln, so, als formuliere man gerade eine literarische Weltsensation. Ansonsten gilt: Kurz vor der Deadline immer Cafés ohne WLAN aufsuchen, dann läuft es schon. Wenn gar nichts geht, einfach drauflosschreiben, um wenigstens Tippgeräusche zu erzeugen, ich habe mich so schon mehr als einmal in einen Text reingetippt. Außerdem ist viel Auswärtsarbeiten ein hervorragender Grund, sich einen kleineren, leichteren Laptop anzuschaffen.
Als Exkellnerin liegt mir aber sehr daran, auf folgendes hinzuweisen: Man kann schon mal stundenlang im Café arbeiten. Man darf sich dabei aber nicht stundenlang an einem einzigen Getränk festhalten. Kinderstube, Kinder!
Fazit: Es läuft hervorragend. Offenbar ist es wirklich nie zu spät für einen neuen Anfang – haben die doch recht. Also traut euch! Keine Angst vor Risiken! Vierzig ist das neue Dreißig! Vier Kilo weniger in drei Tagen!
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