Bädersterben: Kriminalroman
lärmenden angeschickerten Touristen zu den Anlegern zurückschwappten, kam Stuhr unumwunden zu seinem Anliegen. Er berichtete Olli von den Ereignissen der letzten Tage und Stunden. Von Anna Maria Rasmussen, ihrem jetzt unter Verdacht stehenden Schwager Fiete, dem Wasserschutzpolizisten Rost, dem Piloten Grenz und von Dr. Rogge, den er am nächsten Tag selbst aufsuchen wollte. Stuhr verdeutlichte ihm, dass er wegen seiner neuen Bekanntschaften nicht mehr viel unternehmen konnte, ohne aufzufallen, und so sollte Olli nun versuchen, mehr über Anna Maria Rasmussen und ihre Sippschaft herauszubekommen.
Gegen eine Frauenbekanntschaft hatte Olli grundsätzlich nichts einzuwenden, auch wenn die Dame älter als er zu sein schien. Aber wenigstens diese Nacht wollte er sein kostenloses Krankenbett noch ausnutzen, denn es war kaum davon auszugehen, dass es in der Hauptsaison auf der Insel noch ein freies Bett zu ergattern gab. Als Stuhr seinen Bericht beendet hatte, schilderte ihm Olli die in jeder Hinsicht bewegenden Ereignisse auf hoher See. Die Sache mit Svenja ließ er natürlich aus. Wer weiß, wo die sich herumtrieb? Na ja, mit dem Duckstein jedenfalls nicht, und so erzählte er auch von der Bekanntschaft mit dem kleinen, markigen Typen.
Erstaunlicherweise war Stuhr recht aufgebracht, als er mitbekam, dass ausgerechnet Dieter Duckstein sein Bettnachbar war und er ihm das nicht gleich im Krankenzimmer gesteckt hatte.
Olli hob die Hände abwehrend. »Komm, Stuhr. Das tut überhaupt nichts zur Sache. Duckstein war in einem nicht vernehmungswürdigen Zustand. Warum regst du dich so auf? Denkst du, dass er etwas mit der Sache zu tun haben könnte?«
»Nein, wohl kaum. Aber irgendetwas stimmt mit der Rasmussen nicht. Was sie erzählt, steht genau im Widerspruch zu dem, was sie tut. Sie spielt die keusche Ehefrau, aber mitten im Hafen knutscht sie mich ab. Im Flieger hatte sie den Duckstein mehrfach seltsam angesehen, bevor er wieder ausgestiegen ist. Vielleicht hat sie etwas mit ihm? Wenn du an die Rasmussen selbst nicht herankommst, dann behalte bloß den Duckstein im Auge. Vielleicht führt er dich zu ihr.«
Die Visitenkarte vom Haus Panoramic, die Stuhr ihm gereicht hatte, beschrieb den Ort genau, an dem er Anna Maria Rasmussen an der Hotelbar aufsuchen sollte. Olli hatte zwar genickt, aber insgeheim vermutete er, dass diese Angelegenheit überhaupt nicht zu Kommissar Hansens Auftrag gehörte, sondern dass sich der alte Sack Stuhr wieder einmal in irgendein liebreizendes Phantom verschossen hatte.
Der Spaziergang durch das Unterland endete unerwartet, denn Stuhr verabschiedete sich von ihm. Olli vermutete im ersten Moment eine gewisse Unterhopfung bei Stuhr, was ihm aber nicht unlieb war, denn so konnte er in aller Ruhe allein die Hafenpromenade entlang zum Rathaus am Lung Wai schlendern. Nach dem Passieren der Hummerbuden konnte er allerdings Stuhrs Loblieder über die Schönheit des Eilands nicht mehr nachvollziehen. Das Unterland wirkte eher wie die Einkaufszone von Gelsenkirchen, der Stadt im Ruhrpott, die als einzige Attraktion den Bundesligaklub Schalke 04 beherbergte. Bei einem seiner Stadionbesuche hatte ihm eine Kellnerin lapidar bedeutet, dass die erste richtige Sehenswürdigkeit dieser vom Kohleabbau geprägten Stadt erst beim Erzfeind in Dortmund zu finden wäre.
Mit Helgoland verhielt es sich ähnlich. Viel denkmalgeschützter Beton und städtebauliche Linien aus den späten Fünfzigern, die selbst das Kieler Stadtteilmonster Mettenhof in freundlicherem Licht erscheinen ließ. Die Hafenanlagen konnten nicht die Planung als Großhafen aus der Hitlerzeit kaschieren, in der hier ein Bollwerk der Naziflotte gegen die Westmächte errichtet werden sollte. Auch die Landungsbrücke unweit vom Rathaus wirkte äußerst trist mit den Zweckbauten, die an Abfertigungsgebäude an den Grenzübergängen zur ehemaligen Ostzone erinnerten. Irgendwie passte die triste Landungsbrücke aber zu seiner schlechten flatterigen Verfassung, und deswegen zog es Olli auch dorthin. Er ließ sich auf einer Bank nieder und blickte immer noch etwas benommen den Börtebooten hinterher, die emsig die letzten Tagestouristen zurück zu den im Hafen liegenden Schiffen karrten, obwohl die keine 50 Meter entfernt von der Landungsbrücke ankerten. Das war alles nur eine teuer inszenierte Show, befand Olli.
Doch auf der Insel kehrte langsam wieder Ruhe und Frieden ein, und obwohl sich Olli noch matschig fühlte, sinnierte er bereits
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