Diverses - Geschichten
Frühlingserwachen
Es war kalt.
Und beängstigend langweilig.
Temotas hatte nicht erwartet, dass die Ewigkeit derart öde sei. Wie lange er bereits unter der Erde lag, wusste er selbst nicht, jetzt nicht mehr. Hunderte, tausende von Jahren waren vergangen. Vielleicht addierten sich die Zeiträume zu unendlichen Vielfachen, vielleicht stellte sich jeden Augenblick heraus, dass es sich lediglich um Bruchteile von Sekunden handelte. Für ihn spielte weder die eine noch die andere Alternative eine Rolle. Seine Entscheidung war endgültig gewesen. Endgültig und unverrückbar.
Seine Trauer überwältigend genug, seine Flucht eine logische Konsequenz.
Niemals wieder wollte er zurückkehren an die Oberfläche, in eine Welt, die ihm alles versagte. All das, was für ihn Bedeutung hielt.
Dass er nicht immer so empfunden hatte, gehörte zu dem, was er als die Tragödie seines Lebens bezeichnete, besäße er noch den Ehrgeiz, der ihn in seinen jungen Jahren, im Anschluss an seine Erschaffung, angetrieben hatte. Einen Wahn, so nannte er es später. Den Rausch, der ihn dazu trieb, immer wieder weiter zu gehen, als erlaubt, weiter, als die mit der Verwandlung zwangsläufig auf kaum erkennbare Spuren ihrer selbst geschrumpfte Moral, ihm zu seinen Lebzeiten erlaubt hatte.
Und später, als der Rausch verflogen war, stand er starr und stumm vor den Trümmern, die er zurückgelassen, die er aus heilen Welten erschaffen hatte.
Vergessen war die Poesie, an die er sich in seinem Wahn geklammert hatte. Ins Nichts sank der Machtrausch, der nicht enden wollende Ehrgeiz, immer wieder von neuem angestachelt durch die Erkenntnis seiner eigenen Unbesiegbarkeit. Wie besessen hatte er seine Jugend verschwendet, im Überschwang der Kräfte, die sich in ihm entfalteten und die zu beschreiben, ihm auch jetzt noch die Worte fehlten.
Damals stand er am Anfang, so wie die Menschheit sich an ihren Anfängen befand. Weder wusste er, was er war, was ihn trieb, noch war er in der Lage, seine Bedürfnisse zu steuern. Er wusste nur, dass sich keiner der Sonnenwandler mit ihm messen konnte. Durch ihre schäbigen Ansiedlungen fuhr er wie ein Gewitter, nur schneller und verheerender. Seine eigene Stärke, die Geschwindigkeit beglückten ihn und die Zeit verflog in einem Strom aus warmem Blut, köstlichen Düften und schrillen Schreien. Als er zur Ruhe kam, war er sich immer noch seiner Stärke und seiner Macht bewusst. Er begann zu beobachten. Die minderwertigen Lebensformen, die Sonnenwandler, veränderten sich. Während er der Gleiche blieb, unverändert jung und hart, entwickelten sie Form, Gestalt und Manieren. Und als sie nicht mehr dabei verharrten, ängstliche Zeichen in schmutzige Höhlenwände zu kratzen, als sie Schönheit entdeckten und ihren Welten Farbe verliehen, da spürte Temotas seine Macht auf eine gänzlich andere Art und Weise. Sein Leben veränderte sich. Er war gezwungen, Vorsicht walten zu lassen. Worte wurden zu Nachrichten, verbanden die Menschen miteinander und forderten ihn heraus. Er genoss das Spiel mehr als je zuvor. Er genoss es, aus dem Verborgenen heraus zu operieren, genoss es, sie hinters Licht zu führen und zugleich zu beeindrucken. Niemand, dem er je begegnet war, konnte Temotas für den Rest seines Lebens aus seinem Verstand verbannen. Niemand zeigte sich gegenüber seiner Wirkung immun.
Doch er wollte mehr. Seine Gier kannte kein Ende und so suchte er den Ruhm, obwohl er wusste, dass seine Suche nur zu stärkeren Ausbrüchen von Wahnsinn, Ehrgeiz und letztendlich roher Gewalt führte. Vielleicht auch genau aus diesem Grund.
Die Schönheit, die er im Aneinanderreihen von Worten, in der Sprache entdeckte, befriedigte ihn auf lange Sicht ebenso wenig wie die in der Musik enthaltene oder in jeglicher anderen Kunst erreichbare. Und über kurz oder lang fielen den Menschen, die mit den Jahrhunderten auch an Verstand zu gewinnen schienen, die Kleinigkeiten auf, die er sowohl zu verbergen, als auch zu verdrängen suchte. Nie zuvor hatte ihn seine Unfähigkeit, den Tag zu sehen, gestört. Er hegte die Erinnerung an die Sonne aus den Tagen, bevor er erwacht war, wie einen Schatz. Jedoch einen, der unangetastet bleiben sollte.
Er versuchte zu kompensieren, tötete öfter, wütete haltloser in den inzwischen gesichtslosen Mengen seiner Bewunderer. Doch nur, um aufzuwachen und sich wieder auf der Flucht zu befinden.
Die Welt veränderte sich und sie schrumpfte zusehends.
Temotas stellte fest, dass seine Worte leere
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