Bädersterben: Kriminalroman
Statisten in der Operette. Überall auf der Welt geht es einzig und allein darum, einen sicheren Flug zu gewährleisten. Oft haben mir schon Passagiere vor dem Einsteigen tief in die Augen geschaut. Wenn ich mich dann entscheide, zu fliegen, setzen sie sich auch hin. Sie haben Vertrauen zu mir. Das können keine Gesetze oder Verordnungen regeln. Dieser Reinicke hat mir vertraut.«
Die Gegenfrage konnte sich Hansen nicht verkneifen. »Haben Sie denn andersherum auch Reinicke vertraut?«
Der Pilot schien sich jetzt in seiner Ehre verletzt zu fühlen. »Kommissar, ich bin in erster Linie ein Dienstleister. Mich interessiert wenig, warum jemand irgendwohin fliegen will und woher das Geld für das Ticket stammt. Schließlich lebe ich von der Fliegerei. Das muss man mit Taxifahrten vergleichen. Da bekommen Sie auch jede Quittung ausgestellt, die Sie benötigen. Reinickes Anstalt ist immerhin öffentlich finanziert. Warum sollte ich an seiner Integrität zweifeln?«
Sicherlich hatte Grenz in dieser Hinsicht recht, aber per Hand ausgestellte Tickets ließen andererseits viel Freiraum für Manipulationen jeglicher Art. »Gab es denn Auffälligkeiten nach der Landung?«
Grenz antwortete zügig. »Unterschiedlich. Zuletzt waren wir in Wedel und in Westerland. Da wartete wie so oft eine schwere Limousine auf ihn. Ich weiß nicht, welche Automarke, aber es schien sich immer um das gleiche Fahrzeug zu handeln, Hamburger Kennzeichen. HH-RH, die Nummer weiß ich nicht. Ich bin dann in der Regel allein zurückgeflogen. Manchmal rief er von irgendwoher an, um abgeholt zu werden, doch oft kam er auch ohne mich irgendwie auf die Insel zurück. Das war es schon.«
Diesen Grenz schien tatsächlich nur die Fliegerei zu interessieren. Jedenfalls hatte er Reinicke keinerlei Nachfragen gestellt. Wenn er die Einnahmen tatsächlich vollständig an die Fluggesellschaft abgeführt hatte, dann schien er keinen Dreck am Stecken zu haben. Dennoch blieb die entscheidende Frage offen. »Nicht ganz, Herr Grenz. Der besagte Flug am letzten Samstag. Haben Sie Reinicke an diesem Tag nach St. Peter-Ording geflogen?«
»Da war ich überhaupt nicht in der Luft, denn an dem Tag wurde die Landebahn bei uns ausgebessert. Da ging auf Düne überhaupt nichts.«
Das verstand Hansen nicht. »Aber Sie haben Reinicke an besagtem Samstag doch einen Flugschein ausgestellt und den Abflug sogar eigenhändig quittiert. Wie ist er denn nach St. Peter-Ording gekommen?«
Der Pilot ging tief in sich und ließ sich mit der Antwort Zeit. »Kommissar, auch das ist geregelt. Für solche Fälle hat unsere Fluggesellschaft ein Spezialabkommen. Ich möchte Sie nur bitten, das nicht an die große Glocke zu hängen.« Jetzt wurde es rätselhaft, doch Grenz machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. »Diese Börteboote auf Helgoland sind absolut seetüchtig, Kommissar. Wenn also mit Flugzeug oder Schiff nichts mehr ging, dann ist Reinicke in ein solches Gefährt gestiegen. Die Fluggesellschaft hat zwar wie immer für Reinickes Reisekostenabrechnung den Flugschein ausgestellt, aber der Schiffer hat ihn dann transportiert und dafür später das Geld angewiesen bekommen. Weil immer weniger Schiffe ausbooten, ist das für den Schiffer eine lukrative Angelegenheit. Ich selbst würde allerdings niemals auf einer solchen Nussschale mitfahren. Dann lieber im Nebel über die Achttausender.«
Dem musste Hansen innerlich zustimmen. Aber jetzt ging es um die Wurst. »Den Namen, Herr Grenz.« Der Pilot sah ihn erstaunt an. »Aber Kommissar, der Schipper hat doch nichts Verbotenes getan, oder?«
Hansen schüttelte energisch den Kopf. »Falsch, Herr Grenz. Der Schipper war vermutlich der Letzte, der Reinicke lebend zu Gesicht bekommen hat. Den Namen, bitte.«
»Fiete Rasmussen. Alte Helgoländer Dynastie, allerdings verarmter Zweig. Wohnt kurz hinter dem Invasorenpfad in einer dieser bunten Hummerbuden unweit vom Hafenbecken, in dem die Börteboote liegen. Die Hausnummer weiß ich nicht, aber an seiner orangefarbenen Bude hängt ein Rettungsring.«
Wieder atmete Kommissar Hansen auf, endlich hatte er die nächste Spur gefunden. Er ließ sich seine Erleichterung aber nicht anmerken. »Herr Grenz, Sie können wieder Ihrer Arbeit nachgehen, aber ich muss Sie bitten, sich für uns zur Verfügung zu halten.«
Der Pilot grinste matt und überreichte ihm einen Flugplan und eine Visitenkarte. »Wenn Sie mich suchen, dann können Sie am Flugplan sehen, wo ich mich gerade aufhalte. Ansonsten
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