Balkan Blues
Kräfte.
»Geh rein und räum den Tisch ab«, sage ich zu Varja. »Damit man nicht sieht, daß Kostas dort gegessen hat. Und leg das Leintuch wieder aufs Bett. Aber sieh zu, daß keine Blutspuren daran sind. Ich werde die Polizei benachrichtigen.«
»Meinst du, die schlucken das?« Ihre Stimme dringt aus dem Dunkel, rauh und voller Zweifel.
»Wenn nicht, dann leiste ich dir im Gefängnis Gesellschaft«, sage ich und lache auf. Vorwiegend, um mir selbst Mut zu machen.
Ich lege mir zurecht, was ich wie am Telefon sagen will. Man soll nicht merken, daß ich Ausländerin bin. Denn wenn Andreas rauskriegt, daß ihn eine Ausländerin angeschwärzt hat, fällt sein erster Verdacht auf mich.
In der erstbesten Telefonzelle ziehe ich die Karte heraus, mit der ich jede Woche meine Familie in Bulgarien anrufe. Bevor ich den Notruf wähle, lege ich ein Taschentuch über die Muschel. Ich beginne langsam zu sprechen, um mich nicht zu verhaspelt. »Auf der Brache in der Evmorfopoulou-Straße liegt Kostas, tot … Andreas, der Besitzer der Cozy-Bar , hat ihn umgebracht … Er hat das Messer mitgenommen …«
»Wer sind Sie? Ihr Name? …«
Ich lege den Hörer auf. Die Knie werden mir weich. Ich finde ein leeres Taxi und gebe die Adresse der Bar an. Der Fahrer ist um die Vierzig und mustert mich im Rückspiegel. »Bist du Albanerin?« fragt er.
»Bulgarin.«
»Wollen wir einen Zwischenstop einlegen? Dann erlasse ich dir den Fahrpreis.«
Ich verstehe nicht genau, was er sagt, aber ich begreife, was er will. Ich halte den Mund, damit ich mich nicht verplappere.
»Wieso nicht?« beharrt er und lächelt mir im Rückspiegel zu. »Verdient ihr in Bulgarien mehr? Da nagt ihr doch am Hungertuch. Aber hier, bei uns Armleuchtern, seid ihr wohl auf den Geschmack gekommen.«
An der ersten Ampel werfe ich ihm eine Zwei-Euro-Münze auf den Sitz und steige aus. Er würde keine Sekunde zögern, sich auf mich zu stürzen und der Polizei dann zu erzählen, ich hätte ihn beraubt.
Die beiden Schläger sind vor den Eingang der Bar getreten, um Luft zu schnappen. Der eine faßt mir an den Hintern, als ich vorübergehe, und lacht dann schallend. Um mir in Erinnerung zu rufen, daß ich ein Lamm aus Bulgarien bin und er jeden Tag Ostern feiert. Andreas sitzt mit zwei Freunden an einem Tisch, ins Gespräch vertieft. Er wirft mir einen teilnahmslosen Blick zu.
Schnurstracks gehe ich zur Küchennische, wo die Teller und Gläser der Bar abgewaschen werden. Ich weiß, daß ich sie leer vorfinden werde, denn Maria, die Küchenhilfe, ist um diese Zeit schon gegangen. Vorsichtig rolle ich in meiner Tasche das Messer aus dem Papiertaschentuch und lege es ganz unten in die Bestecklade. Dann fasse ich mit den Fingerspitzen nach der Plastiktüte mit dem Heroin und stecke sie in das Schränkchen unter der Spüle.
Ich schaffe zwei Männer, bevor der Streifenwagen kommt. Der erste ist schnell. Wir haben uns kaum hingelegt, schon ist er fertig. Der zweite gehört zu denjenigen, die einen beschimpfen müssen, um in Stimmung zu kommen. Gebetsmühlenartig wiederholt er »Bulgarische Drecksau, fetter Arsch«, wie ein Schlummerlied. Keiner der beiden achtet auf meine blauen Flecken, da sie sturzbetrunken sind.
Als ich zum zweiten Mal zur Bar hinuntergehe haben die Beamten Andreas gerade an die Wand gestellt und tasten ihn ab. Die Mädchen haben sich erschrocken in eine Ecke verdrückt und glotzen. Sie können nichts bei ihm finden und durchsuchen die Bar. Zwei der Polizisten beginnen, die Getränkeregale zu durchforsten, während der dritte nach hinten geht. Zwei Minuten später ist er wieder da.
»Herr Hauptwachtmeister!« ruft er demjenigen zu, der Andreas immer noch festhält, und zeigt ihm in einer Plastiktüte das Messer und das Heroin.
»Das gehört mir nicht!« brüllt Andreas. »Weder das Messer noch das Koks!«
Richtig. Es war nicht die Ware, mit der er mir die Überdosis verpassen wollte, die mich ins Fernsehen gebracht hätte.
»Kann sein, daß es nicht deins ist«, meint der Hauptwachtmeister. »Aber wenn es dem Hund gehörte, den du umgelegt hast, bist du dran. Ihr wartet hier und macht eure Aussagen«, meint er an uns gerichtet, als er Andreas die Handschellen anlegt.
»Schöne Aussagen werden das«, lacht der eine Polizist und zwinkert dem anderen zu.
»Bist du verrückt?« entgegnet der andere. »Diese Russinnen, Rumäninnen, Bulgarinnen kommen nur einmal in ihrem Leben mit Wasser in Berührung, und zwar wenn die Amme sie ins Taufbecken
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