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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Zumindest die des Jungen nicht. Die andere ältere und mindestens eine Oktave tiefere Stimme, die ihn langsam aus dem Koma in den Wachzustand lockte, kam ihm dafür umso vertrauter vor. Die hatte er schon einmal gehört. Irgendwann vor langer Zeit. Um herauszufinden, wann genau, hätte er sich jetzt aber ganz genau erinnern und tief in die graue Vergangenheit hinuntersteigen müssen. Wer will das schon? Plotek nicht. Dafür schmerzte sein Kopf viel zu sehr. Vielleicht kam das Techno-Gewummer gar nicht von dem Walkman, sondern wurde erst in seinem Kopf produziert. So kam es ihm zumindest jetzt vor. Mit jedem Schlag eine kleine Explosion. Bum, bum, aua, bum. Jetzt hilft nur noch Aspirin, dachte Plotek und wollte sich aufrichten. Aber irgendwie kam er nicht hoch.
    »Na, auch schon wach?«, sagte eine Stimme im Bett neben ihm, begleitet von einem dreckigen Lachen.
    Schlagartig fiel Plotek ein, wo er den Jungen schon einmal gesehen hatte. Auf dem Spielfeld, in kurzen Hosen und mit schmerzverzerrtem Gesicht. Das war einer dieser jungen Wunderstürmer, das war Jo Hillebrand, der da neben ihm lag und aus einem Meter Entfernung noch viel jünger aussah als von der Tribüne aus. Irgendwie war ihm dieser junge Schnösel mit dem Bartflaum über der Oberlippe und der unreinen Haut gleich ziemlich unsympathisch.
    »Musst läuten, dann kommt die Alte.«
    Und noch ehe Plotek reagieren konnte, drückte der Junge schon auf den Knopf, der an einem Kabel über seinem Bett hing.
    »Aber Vorsicht, mit der ist nicht zu spaßen. Die Mutti hat hier nicht nur die Hosen an, sondern auch Haare auf den Zähnen«, fuhr die Stimme fort.
    Kaum eine Minute später ging die Tür auf und eine weiß gekleidete Schwester kam herein. Wenn das die Alte, die
    Mutti war, dann bin ich schon tot, dachte Plotek und sah den Jungen verständnislos an, der vorwitzig grinste.
    »Sie haben geläutet?«, fragte die Schwester forsch und sah zu Jo Hillebrand, der in einer Mischung aus Häme und Schadenfreude auf Plotek zeigte.
    »Ach, Sie sind wach, das ist aber schön«, sagte die Schwester jetzt zu Plotek, »ich bin Schwester Sieglinde, wie geht es Ihnen?«
    Schlecht, wollte Plotek sagen, ganz schlecht. Aber noch ehe er ein Wort herausbringen konnte, fuhr Schwester Sieglinde schon fort: »Das wird schon wieder.«
    »Aspirin«, flehte Plotek, »bitte.«
    »Warten Sie, ich bringe Ihnen was, dann spüren Sie den Schmerz nicht mehr so sehr.«
    Noch ehe Schwester Sieglinde das Zimmer wieder verlassen konnte, knallte ihr Jo Hillebrand eine Forderung an den Kopf. In einem Tonfall, der die Schwester zu seiner Leibeigenen degradierte, sagte er: »Ich brauche was zu trinken!«
    Hol dir halt was, dachte Plotek, was ist das denn für ein verzogener, widerlicher Dreikäsehoch.
    Kaum war die Schwester aus dem Zimmer, fing Jo Hillebrand schon wieder an zu quasseln.
    »Mit der alten Schachtel musst du dich gut stellen, dann ist das hier gar nicht so schlecht«, sagte er und kicherte wie ein Pennäler bei einem obszönen Witz.
    »Mich mag sie nicht. Und wenn ich dir was verraten darf, ich mag den alten Drachen auch nicht.«
    Schwester Sieglinde war höchstens 35, dachte Plotek, und mit Sicherheit einige Jahre jünger als er selbst und von Drachen keine Spur. Eher Engel, Schwan, Schimmel oder dergleichen. Entweder leidet dieser pubertierende Superkicker an extremen Wahrnehmungsstörungen oder zwischen mir und ihm liegen nicht nur eine Generation, sondern mehrere Milchstraßen. Vielleicht ist aber auch sein Kopf vom vielen Köpfen ein Fußball geworden und im Hirn weilt seither nur noch lauwarme Luft. Da passt natürlich so eine durchaus attraktiv aussehende Schwester Sieglinde im besten Alter nicht hinein. In Ploteks Hirn, auch wenn es noch so pochte und schmerzte, passte sie allemal hinein.
    Die Tür ging wieder auf und Schwester Sieglinde stand erneut im Zimmer. In der einen Hand hatte sie ein Glas mit einer blubbernden Flüssigkeit, in der anderen eine Flasche. Den Power-Drink stellte sie auf den Nachttisch von Jo Hillebrand, neben eine Packung rosafarbener Himbeerbonbons. Dann setzte sie sich auf Ploteks Bett, griff hinter seinen Rücken und half ihm, sich aufzurichten. Er spürte ihre kalte Hand auf seiner Haut und wunderte sich über die Temperatur. Das gibt’s oft, Menschen, die immerzu kalte Hände haben, kalte Nasen, kalte Ohren. Oder kalte Füße, wie Plotek. Ständig hatte er kalte Füße, schon von klein auf. Woran das lag? An mangelnder Durchblutung, zu dünnen Socken,

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