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Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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sie nicht die zentrale Machtfigur dar, wie das bei uns der Fall ist.
    »Je vais aux toilettes«, sage ich zu meiner Mitstreiterin und schleiche mich aus dem Büro des Schulleiters, damit ich mich vor Mme Cuchons Tür herumdrücken kann. Sie merkt gar nicht, wie laut sie redet. Ich kann raushören, dass sie weder mit einem Kollegen noch einem Elternteil eines Schülers spricht. Dafür ist das Gespräch zu intim und emotional. Das könnte spannend werden!
    Mit aller Macht konzentriere ich mich darauf, was Mme Cuchon sagt, ähnlich, wie wenn die Kids mit mir reden und ich weiß, dass ich sie nie dazu bekommen werde, mir das auf Englisch zu sagen. Mein Französisch ist echt besser, als viele denken; ich spreche ja auch wirklich schon, seit ich ein Baby war.
    »Diese schrecklichen Marquets«, höre ich Mme Cuchon zu der Person am anderen Ende der Leitung sagen. »Jedes Jahr mache ich mir Gedanken wegen ihnen. Diesmal hat er buchstäblich gesabbert, als er Penelopes Foto gesehen hat. Aber das hätte ich mir doch nie vorstellen können!«
    Ich bin so überrascht, dass ich fast die Klinke hinunterdrücke, die Tür aufreiße und sage: »Was meinen Sie denn damit?« Aber ich kann mich gerade noch beherrschen und lausche weiter.
    »Sie war ein gutes Mädchen, ein starkes Mädchen. Sehr groß, aber ungeheuer dünn. Ganz zerbrechlich. Und einfach viel zu schön. Ich hätte ihnen ein hässliches Mädchen zuteilen sollen. Was, wenn er ... Oh Gott, das kann er doch nicht gemacht haben«, fährt Mme Cuchon fort. Ihre Stimme bricht, und ich kann hören, dass sie anfängt zu weinen. Schockiert seufze ich mitfühlend, fast so, als würde ich ebenfalls gleich losheulen.
    »Der Vorstand will nicht, dass ich mit der Presse rede, und mit der Polizei darf ich ja auch so gut wie nicht sprechen. Keiner scheint irgendetwas herauszufinden! Irgendwie glaube ich aber auch nicht, dass sie es wirklich wollen. Meines Erachtens möchten sie es am liebsten aussitzen. Aber es ist nun schon zwei Monate her ... und noch immer keine Leiche ... Wir haben ihre Familie nicht erreichen können, um irgendwelche der wild kursierenden Gerüchte zu bestätigen. Jedes Jahr schaut er sich die Bilder der Mädchen lüstern an und sagt mir dann, welche er haben will«, schluchzt Mme Cuchon. »Und jedes Jahr schicke ich ihm eine, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Aber ich behalte sie genau im Auge, ganz genau. Diesmal habe ich mir nichts dabei gedacht... Ich habe sie einfach für schwierig gehalten, für eine Unruhestifterin ... Es ist alles meine Schuld. Sie sind so großzügige Spender, ich hatte zu große Angst, ihm Einhalt zu gebieten ...«
    Im Vorzimmerbereich des Büros klingelt plötzlich ein Telefon. Erschrocken mache ich einen Satz von der Tür weg, aber trotzdem kann ich Mme Cuchon noch leise hören.
    »Ich muss Schluss machen«, sagt Mme Cuchon hastig und schniefend. »À bientôt .«
    Eilig sause ich ins Büro des Schulleiters zurück und setze mich auf den Boden. Während ich weiter Briefe eintüte, lausche ich, wie Mme Cuchon ihre Sachen zusammenpackt, ihre Bürotür öffnet und hinausgeht. Es ist unverkennbar, dass sie denkt, das Büro sei leer.
    Interessant.
    Sogar hochinteressant, denke ich, während ich weitere Umschläge auf dem Boden befülle.
    Da steckt sie ja ziemlich in der Bredouille.
    Meine Gedanken rasen fieberhaft. Das ach-so-vorbildliche Lycée ist also anscheinend korrupt und unmoralisch.
    Dass perverse reiche Männer bekommen, was sie wollen, ist ja nichts Neues. Ich habe mich lange genug in der New Yorker High Society rumgetrieben, um davon nicht allzu überrascht zu sein. Aber dass eine Schule vorsätzlich ein schönes Mädchen in das private Apartment eines kinderlosen Ehepaars schickt und einfach betet, dass es das unbeschadet übersteht?
    Das ist echt so was von abgeschmackt!
    Was würde wohl PJ tun, wenn sie wüsste, was ich weiß?
    Mit einem Mal muss ich an die beiden Rucksäcke auf der Titelseite von Aujourd'hui en France denken, und ich habe das Gefühl, als hätte jemand sämtliche Heizungen im Büro ausgestellt. Es ist kalt und klamm, als würde die Luft gefrieren. PJ ist sowieso schon nervös. Diese Information könnte sie mit ihrem ohnehin fragilen Geisteszustand endgültig zerstören.
    Und doch könnte es just die Information sein, die sie braucht, um sich selbst zu schützen und zu überleben.
    Ich stecke mir eine Haarsträhne hinter das Ohr und habe ausnahmsweise mal keine Ahnung, was ich als Nächstes tun

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