Beginenfeuer
seinen Füßen starb.
»Für Andrieu und unseren Vater!«, brüllte er mit heller Knabenstimme.
Ein Schwert blitzte auf und durchschnitt den gepolsterten Halsschutz des Ritters genau an der kritischen Stelle zwischen Helmkante und Brustwehr. Thomas von Courtenay war bereits tot, als er neben Ysée in die Knie sank. Das Blut von Vater und Tochter vermischte sich zu einem Rinnsal und versickerte in der Erde. Der Jubelschrei des Siegers schrillte in Berthes Ohren, das Entsetzen raubte ihr den Atem. Zu spät, schoss es ihr durch den Kopf, ehe die Beine unter ihr nachgaben, für meinesgleichen gibt es eben doch keine Hoffnung.
»He du, steh auf. Kannst du dich um das Kind kümmern?« Ein Tritt in ihre Rippen brachte Berthe in die Wirklichkeit zurück.
»Bist du verletzt?« Der Ritter klang ungeduldig. Berthe schüttelte stumm den Kopf.
»Gut. Sieh nach dem Kind. Dort. Es ist nicht bei sich. Ich begreife nicht, warum Gott so etwas zulässt.« Hoch aufgeschossen, mit bartlosem Jünglingsgesicht, blickte er aus brennenden Augen auf sie herab. Ein zorniger Engel mit Schwert.
»Habt Erbarmen«, murmelte Berthe voller Panik und wich vor der blutbesudelten Waffe zurück.
»Es ist wahrhaftig genügend getötet worden.« Er ließ das Schwert sinken und deutete auf eine kleine Gestalt, aus deren Kleidersäumen das Blut tropfte. »Kümmere dich um das Kind. Es ist unverletzt. Es ist nur so blutbefleckt, weil es seine Spielgefährtin nicht loslassen wollte. Der Himmel wird uns dafür strafen, dass wir Kinder töten.«
B RÜGGE
E RSTES K APITEL
Missionen
I M A UFTRAG S EINER M AJESTÄT
Paris im Oktober 1309
Er roch die Stadt, aber er konnte sie nicht sehen. Die nächtlichen Regenwolken hüllten Paris in Dunkelheit. Dennoch starrte er über den Fluss hinüber, der die Insel der Cité mit seinen beiden Läufen umarmte, schützte und vom restlichen Paris trennte.
Welchen Dienst würde König Philipp von ihm fordern? Er konnte nicht ausschließen, dass ihm eine heikle Mission bevorstand. Die Tatsache, dass er so lange warten musste, weil sich Guillaume von Nogaret beim König befand, mahnte zur Vorsicht. Er hielt den Siegelbewahrer für die treibende Kraft im Konflikt zwischen Krone und Kirche. Ein diplomatisches Schlachtfeld, das Mathieu gerne gemieden hätte. Die Machtprobe zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Frankreich dauerte nun schon vier Jahre, aber ein Ende war nicht abzusehen.
Bertrand von Got, vor fast sechzig Jahren in Vilandraut an der Gironde geboren und zuletzt Erzbischof von Bordeaux, versuchte sich als Papst Clemens V. zunehmend dem Einfluss seines Monarchen zu entziehen. Im vergangenen März hatte er Poitiers verlassen und die päpstliche Residenz in den Süden, in das Kloster der Dominikaner von Avignon, verlegt. Damit hatte er die italienischen Kardinäle tief enttäuscht, die eine Rückkehr nach Rom wünschten.
Bonifaz VIII. hatte mit der Bulle unum sanctum den Machtkampf ausgelöst. Er hatte mit diesem Edikt festgelegt, dass sich die weltliche Macht der Kirche zu unterwerfen hatte und gegebenenfalls dem Papst sogar das Recht zustand, den König zu verurteilen.
Philipp IV. dachte nicht daran, diese Bulle zu akzeptieren. Der Papst reagierte darauf mit der Exkommunikation des Königs. Bonifaz’ plötzlicher Tod verhinderte weitere Eskalationen. Der König nutzte die Gunst der Stunde und zwang die Kardinäle zur Wahl eines französischen Papstes. Clemens V. erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen und hob die Bulle umgehend auf. Damit allein gab sich der französische Herrscher aber nicht zufrieden. Es war ihm wichtig, dem Klerus seine absolute Macht zu demonstrieren.
In den Beratungen mit Nogaret kam diesem die Idee, sich dafür der Templer zu bedienen. Die Vernichtung dieses Ordens erfüllte dem König viele Wünsche auf einmal. Er konnte sich ihres sagenhaften Schatzes bemächtigen, eine Wunde heilen, die die Templer vor Jahren seinem Stolz zugefügt hatten, und die Kirche in ihre Schranken verweisen.
Es war weniger ein Laut als ein Gefühl, das den Wartenden veranlasste, der unsichtbaren Stadt den Rücken zu kehren. Guillaume von Nogaret stand unter der Tür. Obwohl schmucklos gekleidet und von wenig beeindruckender Gestalt, umgab den engsten Ratgeber Seiner Majestät eine Aura von kalter, gefährlicher Effektivität. Er kannte keine Skrupel, wenn es um die Interessen seines Königs ging. Mathieu, Graf von Andrieu und Ritter Seiner Majestät des Königs von
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