Bel Ami (German Edition)
unklar, daß es etwas Gemeinsames zwischen ihnen gäbe, daß ein natürliches Band sie verknüpfe, daß sie von derselben Natur und Denkart wären und daß sein Erfolg ebenso auffallend sich gestalten würde.
Er kehrte langsam zurück; sein Herz war von innerlicher Befriedigung erwärmt, und er kam etwas vor der festgesetzten Zeit an die Tür seiner früheren Geliebten.
Sie empfing ihn mit hingehaltenen Lippen, als ob es niemals ein Zerwürfnis zwischen ihnen gegeben habe, und sie vergaß sogar auf einige Augenblicke die kluge Vorsicht, die sie sonst in ihrer Wohnung allen seinen Zärtlichkeiten entgegenzusetzen pflegte. Dann sagte sie ihm, indem sie die gedrehten Enden seines Schnurrbarts küßte:
»Du weißt noch gar nicht, mein Liebling, welchen Verdruß ich wieder habe. Ich freute mich schon auf einen wundervollen Honigmonat mit dir, und nun kommt plötzlich mein Mann für sechs Wochen zurück. Er hat Urlaub genommen. Ich kann aber nicht sechs Wochen leben, ohne dich zu sehen, besonders nach unserem kleinen Zwist, und ich habe deshalb die Dinge so arrangiert: Ich lade dich Montag zum Essen ein. Ich habe ihm schon von dir erzählt und werde dich ihm vorstellen.«
Duroy war etwas überrascht und zauderte; er hatte noch nie mit einem Mann verkehrt, dessen Frau seine Geliebte war. Er fürchtete, irgend etwas, eine gewisse Verlegenheit, ein Blick könnte ihn verraten. Er stammelte:
»Nein, ich möchte lieber deinen Mann nicht kennenlernen.«
Sie war sehr erstaunt und tat ihre naiven Augen weit auf, doch sie bestand darauf.
»Warum denn nicht? Wie kann man bloß so komisch sein? Das kommt doch alle Tage vor! Ich hatte dich wirklich nicht für so einfältig gehalten.«
Ihre Worte verletzten ihn.
»Nun gut, meinetwegen,« sagte er, »ich komme Montag zum Essen.«
Sie setzte hinzu:
»Damit es natürlicher aussieht, werde ich noch Forestier einladen. Eigentlich macht es mir wenig Spaß, Gäste bei mir zu haben.«
Die Tage bis zum Montag dachte Duroy nicht mehr an die bevorstehende Bekanntschaft; aber als er die Treppe zu Madame de Marelle hinaufging, fühlte er sich seltsam beunruhigt, nicht weil es ihm widerstrebte, die Hand dieses Mannes zu drücken, oder seine Gastfreundschaft anzunehmen, sondern er fürchtete etwas, worüber er nicht klar war.
Er wurde in den Salon geführt und er mußte, wie immer, warten. Dann öffnete sich die Tür und er erblickte einen großen Mann mit weißem Vollbart, ernst und sehr korrekt, der auf ihn zukam, und mit peinlicher Höflichkeit sagte:
»Meine Frau hat öfters von Ihnen gesprochen, und ich bin entzückt, Sie kennenzulernen.«
Duroy schritt ihm entgegen, versuchte seinem Gesicht einen Ausdruck von Herzlichkeit zu geben und drückte etwas übertrieben energisch die Hand seines Gastgebers. Dann setzten sie sich, aber er wußte nicht, wie er die Unterhaltung beginnen sollte.
Herr de Marelle legte ein Stück Holz ins Feuer und fragte:
»Sind Sie schon lange im Journalismus tätig?«
»Nein, erst ein paar Monate«, antwortete Duroy.
»Dann sind Sie aber schnell vorwärts gekommen.«
»Ja, ziemlich schnell.« Und er sprach weiter, was ihm gerade durch den Kopf fuhr, mit allen nichtssagenden Redensarten, die man so oft unter wenig bekannten Leuten anwendet. Er beruhigte sich allmählich und begann, die ganze Situation sehr komisch zu finden. Er betrachtete die ernsthafte und ehrwürdige Gestalt von Herrn de Marelle, und auf seinen Lippen zuckte ein Lächeln, wenn er sich sagte: »Du, ich setze dir Hörner auf, mein Alter, ich setze dir Hörner auf!« Ihn erfüllte eine schadenfrohe, innere Genugtuung, die Befriedigung eines erfolgreichen Diebes, auf den man keinen Verdacht hat, eine spitzbübische, köstliche Freude. Plötzlich hatte er das Verlangen, ein Freund dieses Mannes zu werden, sein Vertrauen zu gewinnen und die Geheimnisse seines Lebens kennenzulernen. In diesem Augenblick trat Madame de Marelle ein, betrachtete beide mit lächelndem, undurchdringlichem Blick und ging dann auf Duroy zu, der ihr in Gegenwart des Mannes nicht die Hand zu küssen wagte, wie er es sonst tat.
Sie war ruhig und lustig wie eine Frau, die an alles gewöhnt war und die in ihrer angeborenen Verdorbenheit diese Begegnung ganz natürlich und einfach fand. Dann kam Laurine und hielt kühler als sonst Duroy ihre Stirn hin; die Gegenwart ihres Vaters machte sie schüchtern.
»Nun,« sagte die Mutter, »heute nennst du Herrn Duroy nicht mehr Bel-Ami?«
Das Kind errötete, als hätte man
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