Bel Ami (German Edition)
eine große Indiskretion begangen, etwas verraten, was man nicht sagen darf, ein Geheimnis ihres Herzens ausgeplaudert.
Als das Ehepaar Forestier kam, war man über das Aussehen von Charles entsetzt. In der letzten Woche war er furchtbar blaß und mager geworden und hustete unaufhörlich. Er erzählte, daß sie auf Anordnung des Arztes nächsten Donnerstag nach Cannes führen.
Sie gingen frühzeitig nach Hause und kopfschüttelnd sagte Duroy:
»Es geht ihm sehr schlecht. Ich glaube kaum, daß er noch lange leben wird.«
»Oh, er ist verloren«, erwiderte Madame de Marelle mit Überzeugung. »Hat er ein Glück gehabt, so eine Frau zu finden!«
»Hilft sie ihm viel?« fragte Duroy.
»Und wie! Sie macht alles. Sie ist über alles im Bilde, sie kennt jeden Menschen, und tut dabei so, als sehe sie niemanden. Sie setzt durch, was sie will, wie sie will und wann sie will. Oh, sie ist klug, geschickt und intrigant wie keine! Für einen Mann, der vorwärts kommen will, ist sie ein Schatz.«
»Sie würde bestimmt bald wieder heiraten«, sagte Georges.
»Ja,« antwortete Madame de Marelle, »ich wäre gar nicht erstaunt, wenn sie jetzt schon jemanden in Sicht hätte ... einen Abgeordneten ... vorausgesetzt ... daß er nicht nein sagt ... denn ... denn es gibt schwere Hindernisse ... moralischer Art. Übrigens, was weiß ich?«
Herr de Marelle brummte etwas ungeduldig:
»Du weißt, ich liebe nicht, wenn du solche Andeutungen machst. Mischen wir uns nie ein in die Angelegenheiten des anderen, es genügt, wenn man selbst ein ruhiges Gewissen bewahrt. Das sollte für jeden ein Gesetz sein.«
Duroy verabschiedete sich etwas verwirrt, und unklare Kombinationen schwirrten durch seinen Kopf.
Als er am nächsten Tag Forestiers besuchte, traf er sie beim Packen. Charles lag auf einem Diwan, atmete schwer und wiederholte immer:
»Ich hätte vor einem Monat reisen sollen.«
Dann gab er Duroy eine Reihe Aufträge für die Zeitung, obwohl alles schon mit Herrn Walter geregelt und besprochen war. Als Georges ging, drückte er ihm lebhaft die Hand und sagte:
»Also, auf baldiges Wiedersehen, alter Freund!«
Madame Forestier begleitete ihn bis zur Tür und er sagte ihr mit plötzlicher Herzlichkeit:
»Vergessen Sie nicht unsere Vereinbarung. Wir sind Freunde und Verbündete, nicht wahr? Also, wenn Sie mich brauchen, zögern Sie nicht, ein Telegramm oder ein Brief — und ich gehorche.«
»Danke, ich werde es nicht vergessen«, flüsterte sie.
Und ihre Augen sagten ihm: »Danke«, mit einem tiefen, innigen Blick.
Als Duroy die Treppe hinunterging, begegnete er dem Grafen Vaudrec, den er schon einmal bei ihr gesehen hatte, und der langsam die Treppe heraufkam. Der Graf schien traurig zu sein, vielleicht wegen der Abreise.
Der Journalist wollte sich als Weltmann zeigen und grüßte ihn außerordentlich zuvorkommend.
Der Graf erwiderte seinen Gruß höflich, aber etwas von oben herab.
Am Donnerstag abend reiste das Ehepaar Forestier ab.
VII.
Forestiers Abwesenheit machte die Stellung Duroys in der Redaktion der Vie Française noch einflußreicher. Außer den Lokalberichten unterzeichnete er auch mehrere Leitartikel, denn der Chef verlangte, daß ein jeder die Verantwortung für seine Aufsätze selbst trüge. Er hatte hin und wieder kleine Zeitungsfehden, die er stets geistreich und geschickt durchfocht, und seine fortwährenden Beziehungen zu Staatsmännern bereiteten ihn allmählich darauf vor, ein gewandter und scharfblickender Redakteur zu werden.
Er sah nur einen dunklen Punkt an seinem Horizont. Er kam von einem kleinen, oppositionellen Blatt, das sich »Die Feder« nannte. Die Zeitung, die ihn oder vielmehr in ihm den Nachrichtenredakteur der Vie Française beständig angriff, nannte ihn den Überraschungschef des Herrn Walter und veröffentlichte täglich Niederträchtigkeiten, boshafte Bemerkungen und Verleumdungen aller Art gegen ihn.
Eines Tages sagte Jaques Rival zu Duroy:
»Sie lassen sich viel gefallen.«
»Was wollen Sie,« stammelte der andere, »es sind keine direkten Angriffe.«
Als er eines Nachmittags den Redaktionssaal betrat, hielt ihm Boisrenard die letzte Nummer der »Feder« hin.
»Lesen Sie! Es steht schon wieder eine unangenehme Bemerkung gegen Sie darin.«
»Worüber denn?«
»Nichts von Bedeutung, über die Verhaftung einer Frau Aubert durch einen Agenten der Sittenpolizei.«
Georges Duroy nahm die Zeitung und las einen Artikel mit der Überschrift: »Duroy amüsiert sich.«
»Der
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