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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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«Ich hab sie schon seit Jahren, Jeffrey.»
    «Und wann hast du dies Auto gekauft, Sara? Vor ein paar Jahren?»
    «Ich hab sie aus dem alten Auto in das neue umgepackt, als ich es gekauft hatte.»
    Ohne einen Ton zu sagen, starrte er sie an. Sara wusste sehr genau, dass er wütend war, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Dennoch versuchte sie es: «Ich hab sie nie benutzt.»
    «Da bin ich ja beruhigt, Sara», schnauzte er sie an. «Du hast in deinem Auto eine Waffe, mit der du jemandem den Kopf von den Schultern pusten könntest, aber du weißt nicht so genau, wie man sie benutzt?» Er hielt inne, offenbar bemüht, sie zu verstehen. «Was hast du denn vor zu tun, wenn jemand dir nachstellt, hä?»
    Sara wusste die Antwort, sagte aber nichts.
    Jeffrey fragte: «Warum hast du sie denn überhaupt?»
    Sara sah ihren ehemaligen Mann an und überlegte, wie sie am schnellsten aus diesem Büro herauskam, ohne wieder einen Riesenkrach zu bekommen. Sie war müde und durcheinander. Dies war nicht der Zeitpunkt für ein paar Runden mit Jeffrey. Dazu hatte Sara im Moment einfach nicht die Kraft.
    «Ich hatte sie eben», antwortete sie.
    «Eine solche Waffe hat man nicht so einfach», sagte er.
    «Ich muss in die Klinik zurück.» Sie stand auf, aber er stellte sich ihr in den Weg.
    «Sara, was zum Teufel geht hier vor?»
    «Was meinst du damit?»
    Seine Augen verengten sich, aber er antwortete nicht. Er trat zur Seite und öffnete ihr die Tür.
    Sara dachte einen Moment lang, es sei nur eine Finte. «War es das?», fragte sie.
    Er ging ganz zur Seite. «Ich kann die Antwort ja nicht gut aus dir herausprügeln.»
    Sie legte ihm die Hand auf die Brust, fühlte sich schuldig.
    «Jeffrey.»
    Er blickte hinaus in den Mannschaftsraum. «Ich muss rüber ins Krankenhaus», sagte er. Damit war sie unmissverständlich entlassen.

SECHZEHN
    Lena stützte den Kopf in die Hand und schloss die Augen, um sich vielleicht einen Moment Ruhe zu gönnen. Länger als eine Stunde hatte sie schon auf dem Stuhl vor dem Krankenzimmer von Julia Matthews gesessen, und die letzten paar Tage machten sich jetzt bemerkbar. Sie war müde, und ihre Periode kündigte sich an. Trotzdem schlackerten ihre Hosen um die Hüften, weil sie nichts aß. Als sie an diesem Morgen ihr Holster über den Gürtel geklemmt hatte, hatte es lose über ihrer Hüfte gehangen. Im Laufe des Tages hatte es dann tatsächlich ihre Haut wund gerieben.
    Lena wusste, dass sie dringend etwas essen musste, dass sie anfangen musste, ihr normales Leben zu leben, statt sich nur durch die Tage zu schleppen, als lebte sie in geborgter Zeit. Aber im Moment konnte sie sich noch nicht vorstellen, das zu tun. Sie wollte nicht morgens aufstehen und dann gleich ihren Dauerlauf machen, wie sie es die letzten fünfzehn Jahre lang jeden Morgen getan hatte. Sie wollte nicht ins Krispy Kreme gehen und mit Frank und den anderen Detectives ihren Kaffee trinken. Sie wollte sich kein Lunchpaket packen und auch nicht zum Abendessen gehen. Sobald sie etwas Essbares sah, wurde ihr übel. Sie konnte an nichts anderes denken, als dass Sibyl niemals wieder essen würde. Lena ging umher, aber Sibyl war tot. Lena atmete, Sibyl jedoch nicht. Nichts ergab mehr Sinn. Nichts würde je wieder sein wie früher.
    Lena atmete tief durch und blickte den Flur hinauf und hinunter. Julia Matthews war heute die einzige Patientin im Krankenhaus, was Lena die Arbeit leicht machte. Außer der Krankenschwester, die als Aushilfe von Augusta abgestellt war, befanden sich nur Lena und Julia in diesem Stockwerk.
    Sie stand auf und versuchte, durch Bewegung irgendwie zur Vernunft zu kommen. Sie fühlte sich angeschlagen und konfus, und um dagegen anzukämpfen, fiel ihr nichts anderes ein, als sich zu bewegen. Ihr gesamter Körper schmerzte, weil sie sich im Bett gewälzt und keinen Schlaf gefunden hatte, und sie konnte immer noch nicht den Anblick auf dem Tisch im Leichenschauhaus loswerden. Irgendwie war Lena jedoch auch froh, dass es noch ein weiteres Opfer gegeben hatte. Irgendwie verspürte sie das Bedürfnis, in Julia Matthews' Zimmer zu gehen und sie zu schütteln, sie anzuflehen zu sprechen, ihr zu sagen, wer ihr das angetan hatte, wer Sibyl ermordet hatte. Aber Lena wusste, dass das zu nichts führen würde.
    Die wenigen Male, die Lena in das Zimmer gegangen war, um nach der jungen Frau zu sehen, hatte diese geschwiegen, hatte nicht einmal auf die harmlosesten Fragen Lenas geantwortet. Ob sie noch ein weiteres Kissen wollte?

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