Belladonna
real erscheinen. Wenn ich Ihnen eine Tasse Stechapfel - auch ein Kraut aus der Familie der Nachtschattengewächse - einflöße, würden Sie hinterher vielleicht schwören, eine Unterhaltung mit einem Kleiderständer gehabt zu haben. Ich könnte Sie an einen Lügendetektor hängen, und der Test würde ergeben, dass Sie die Wahrheit sagen. Dinge, die real existieren, werden unter dem Einfluss der Droge verzerrt und verdreht.» «Tee?», fragte Jeffrey und warf Sara einen Blick zu.
«Ja, Sir, Kids brühen damit einen Tee auf, den sie trinken.» Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken. «Ich muss Ihnen jedoch sagen, dass es sich um gefährliches Zeug handelt. Die Gefahr einer Überdosierung ist groß.»
Sara fragte: «Auf welche Weise kann man es sonst noch zu sich nehmen?»
«Wenn Sie über genügend Geduld verfügen», antwortete Mark, «können Sie die Blätter ein paar Tage lang in Alkohol einweichen und das Gift dann eindampfen. Aber das ist ein Glücksspiel, denn die Konsistenz ist nicht garantiert, nicht einmal bei Leuten, die die Tollkirsche zu medizinischen Zwecken anbauen.»
«Zu welchen medizinischen Zwecken?», fragte Jeffrey.
«Nun, Sie werden es doch kennen, wenn Sie zum Augenarzt gehen und er Ihnen etwas einträufelt, um die Pupillen zu erweitern? Dabei handelt es sich um eine BelladonnaVerbindung. Sehr verdünnt, aber es ist Belladonna. Sie könnten natürlich mit ein paar Fläschchen dieser Augentropfen niemanden umbringen. Bei dieser niedrigen Konzentration bestünde die schlimmste Wirkung in grausamen Kopfschmerzen und grässlicher Verstopfung. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn das Präparat ganz rein ist.»
Frank stieß an ihren Arm und reichte ihr ein Foto. Sara sah das Gewächs vor sich. Es glich so ziemlich jedem anderen Gewächs, das sie je gesehen hatte. Sara war Ärztin, keine Gartenbaue xpertin. Sie hätte es nicht einmal geschafft, ein Kressekissen zu wässern.
Ohne Vorwarnung überstürzten sich wieder ihre Gedanken, versetzten sie in den Moment zurück, als sie Julia Matthews auf ihrem Auto vorgefunden hatte. Sie versuchte sich daran zu erinnern, ob das Klebeband da schon da gewesen war. Ganz deutlich sah sie mit einem Mal das Band auf dem Mund der Frau. Und sie sah auch den Körper von Julia Matthews, gekreuzigt auf der Motorhaube des Autos.
«Sara?», machte sich Jeffrey bemerkbar.
«Hm?» Sara blickte auf. Alle starrten sie an, als erwarteten sie eine Reaktion auf etwas. «Tut mir Leid», entschuldigte sie sich. «Was ist gefragt worden?»
Mark antwortete. «Ich hatte gefragt, ob Ihnen an den Opfern etwas Seltsames aufgefallen ist. Konnten sie nicht sprechen? Hatten sie einen leeren Blick?»
Sara gab das Foto zurück. «Sibyl Adams war blind», erklärte sie. «Daher war ihr Blick natürlich leer. Julia Matthews... » Sie unterbrach sich, versuchte das Bild zu verdrängen. «Ihre Augen waren glasig. Ich vermute, das lag eher daran, dass sie von der Droge weggetreten war, als an sonst etwas.»
Jeffrey sah sie komisch an. «Mark hat erwähnt, dass sich Belladonna auch auf das Sehvermögen auswirkt.»
«Es kommt zu visueller Agnosie, einer Art Blindsichtigkeit», sagte Mark in einem Ton, der darauf zu verweisen schien, dass er sich wiederholte. «Nach User-Berichten kann man zwar sehen, aber mit dem Verstand nicht identifizieren, was man sieht. Ich könnte Ihnen zum Beispiel einen Apfel oder eine Apfelsine zeigen, und es wäre Ihnen bewusst, dass Sie etwas Rundes vor Augen haben, vielleicht von einer bestimmten Struktur, aber Ihr Gehirn würde nicht erkennen, um was es sich handelt.»
«Ich weiß, was Agnosie ist», erwiderte Sara und merkte zu spät, dass ihr Tonfall ziemlich herablassend war. Sie wollte das überspielen, indem sie sagte: «Glauben Sie, dass Sibyl Adams auf Grund der Droge nicht hat schreien können?»
Mark sah die Männer an. Offensichtlich war auch das etwas, über das er sich bereits ausgelassen hatte, während Sara geistesabwesend gewesen war. «Es wird berichtet, dass es durch die Droge zu einem Verlust der Stimme kommen kann. Physisch geschieht dabei im Kehlkopf nichts. Die Droge verursacht keine physische Einschränkung oder Schädigung. Ich glaube, es hat eher damit zu tun, dass im Sprachzentrum des Gehirns etwas geschieht. Es muss dem ähnlich sein, das die Probleme beim Erkennen dessen hervorruft, was man sieht.»
«Klingt einleuchtend», stimmte Sara zu.
Mark fuhr fort: «Einige Anzeichen dafür, dass man die Droge aufgenommen hat: ein
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