Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
übergehen sollte, also musste ich es mit Magie versuchen. Ich schloss die Augen und wünschte mir mit jeder Faser meines Seins, dass der Meeresschaum mich verließ und auf ihn überging. Meine Haut begann zu brennen, als riebe mich jemand mit glühenden Kohlen ein, doch dann verschwand die Hitze und wurde von einem kühlen Schauer ersetzt, der mich von innen nach außen durchlief.
Als ich die Augen öffnete, wusste ich, dass der Meeresschaum mich verlassen hatte.
Indra, der Vritra noch immer mit einer Hand am Schwanz festhielt, griff in seine in Fetzen hängende Hose und holte sein Zepter hervor.
„Ich bin gerächt!“, brüllte er und grub Vritra das Zepter in den Hals. Dann packte er Vritras Schwanz mit beiden Händen, beugte sich vor und bohrte die Zähne tief in die schleimigen Schuppen. Der Dämon heulte schmerz- und zornerfüllt auf und versuchte, den Kopf herumzudrehen, um Indra zu erreichen, doch es zwar zwecklos: Das Zepter war im Weg.
Fasziniert beobachtete ich, wie der Meeresschaum aus Indra hervorströmte, in Vritras Schuppenkleid eindrang und den Schwanz des Dämons goldglänzend färbte.
Innerhalb weniger Sekunden geschah das Gleiche auch mit dem Rest seines Körpers. Jede einzelne braune Schuppe nahm einen hellen Goldton an, bis das Ungeheuer wie eine gigantische Goldstatue seiner selbst aussah. Dann zog Indra das Zepter aus Vritras Hals, und der Dämon explodierte. Winzige goldene Glassplitter flogen in alle Richtungen.
Indra lächelte und hob den Daumen. Ich erwiderte die Geste erschöpft. Offensichtlich freute er sich wie ein Schneekönig, seinen Todfeind endlich bezwungen zu haben – mit ein wenig freundlicher Hilfe meinerseits.
„Callie“, rief Clio, als sie und Jarvis meinen Vater und die übrigen Führungskräfte der Jenseits GmbH aus dem Schloss und über die Zugbrücke führten. Sie sahen allesamt ziemlich mitgenommen aus, aber zumindest waren sie frei und wohlbehalten. Clio ließ den Arm unseres Vaters los und rannte auf mich zu.
„Wir konnten sie nicht mit Magie losmachen, weil die Ketten verzaubert waren, aber dann bin ich auf die Idee gekommen, einfach ein paar Bolzenschneider zu beschwören, was total gut funktioniert hat“, erklärte sie, hochzufrieden mit sich selbst. Manchmal funktionierte die pragmatische Alternative eben sehr viel besser als Magie.
„Gute Arbeit“, sagte ich mit stockender Stimme und wuschelte ihr durchs Haar. Sie schaute mich komisch an.
„Was ist los, Cal?“
Ich wünschte mir nichts mehr, als ihr nichts von der Sache mit Kümmerchen und Daniel sagen zu müssen. Kümmerchen, die mir das Leben öfter gerettet hatte, als ich zählen konnte, und Daniel … dessen letzte Lüge uns alle gerettet hatte. Ich begriff noch immer nicht, warum er es getan hatte, warum er sich für mich geopfert hatte. Vielleicht würde ich es nie begreifen. Und das Schreckliche daran war, dass ich ihn tatsächlich für einen Verräter gehalten hatte, bis zu dem Augenblick, in dem er Vritra in den Graben gestoßen und ihn damit gezwungen hatte, seine wahre Gestalt anzunehmen.
Ach, Daniel …
„Wo ist Kümmerchen?“ Ein hysterischer Unterton stahl sich in Clios Stimme.
Ich konnte nicht antworten, sonst hätte ich wieder zu weinen angefangen.
„Wo ist unser Hund!“ Sie packte mich am Arm und schüttelte mich, um mich zum Sprechen zu bringen.
„Clio …“, setzte ich an, doch dann hörte ich etwas. Zuerst war es sehr leise, weshalb ich einen Finger an die Lippen legte, um Clio zu bedeuten, dass sie still sein sollte.
Wenn es das ist, was ich denke …
„Hörst du das?“, fragte ich hektisch. Ich löste mich aus Clios Griff und rannte zum Burggraben. Dort ließ ich mich auf den Bauch nieder und kroch bis zur Kante, um hinunterzuschauen.
Ich würde gern behaupten, an Wunder zu glauben … doch das war beinahe zu viel für mich.
Unten im Burggraben stand auf einem Stück Felsen, das seitlich aus der Erdwand ragte – das einzige derartige Stück Felsen, das ich in beide Richtungen sehen konnte –, Kümmerchen. Sie hatte sich auf die Hinterläufe aufgerichtet und bellte wie verrückt, während sie mit den Pfoten an der senkrechten Wand kratzte. Ich hatte keine Ahnung, wie es dem Hund gelungen war, auf dem einzigen sicheren Flecken Erde dort unten zu landen, und ehrlich gesagt war es mir auch egal. Das Einzige, was mir und Clio etwas bedeutete, war, dass sie am Leben war und sehr, sehr begierig darauf, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
„Jemand
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