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Berg der Goetter

Berg der Goetter

Titel: Berg der Goetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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bewusst, so schien es mir. Und Gele’endras Menschenkenntnis, ihr Feingefühl und ihre Selbstkontrolle – in Bezug auf ihre Tochter war davon nichts wiederzufinden.
    Während unseres Mahls gab es mehrere solcher – immer nach demselben Schema ablaufenden – Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Tochter. Die letzte endete damit, dass Fellgeva schreiend den Tisch verließ.
    Man sah Urgssinn an, wie gedemütigt und in aller Öffentlichkeit erniedrigt er sich fühlte. Schamröte hatte sein Gesicht überzogen.
    Seine Gattin hingegen hatte sich nach wenigen Momenten beruhigt und zu ihrer bewährten Maske zurückgefunden.
    „ Ihr scheint Schwierigkeiten mit Eurer Tochter zu haben“, sagte Lakyr, an Gele’endra gewandt, sicher nicht ohne die Absicht, sie an einer empfindlichen Stelle zu treffen.
    Und es schien, als hätte er richtig kalkuliert. Gele’ endras Gesicht versteinerte sich.
    Ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, in das Geschehen einzugreifen und erklärte daher: „Ich fürchte, werter Lakyr, Ihr werdet jetzt geschmacklos. Urgssinn und Gele’endra sind unsere Gastgeber, vergesst das nicht!“
    Wir wechselten einen bedeutungsvollen Blick miteinander, Lakyr und ich. Er schien etwas sagen zu wollen, entschied sich dann aber offensichtlich dafür, es für sich zu behalten.
    Und das war zweifellos gut so.

    *

    Wie uns am nächsten Tag der Kapitän unseres Schiffes berichtete, hatte sich die Crew während der Nacht hin und wieder gegen fanatisierte Malinter zur Wehr setzen müssen. Aber es war kein größerer Schaden angerichtet worden.
    Dennoch drängte der Kapitän, ein besonnener und vernünftiger Mann, der die ihm aufgetragene Verantwortung sicher und souverän zu tragen wusste, zur Weiterfahrt.
    „ Eure Anwesenheit, Herr Lakyr, wird von den Bewohnern dieser Stadt ganz offensichtlich als Provokation angesehen. Warum sollen wir sie weiter verärgern? Fahren wir weiter flussaufwärts. Bis zum Uytrirran ist es noch eine weite Wegstrecke und um so weniger Zeit wir jetzt versäumen, desto schneller haben wir unser Ziel erreicht!“
    „ Eure Meinung in Ehren, Kapitän“, entgegnete Lakyr-a-Dergon mit unbewegtem Gesicht. „Aber ich habe noch nicht alle Besuche erledigt, die ich mir vorgenommen hatte.“ Er sah in die sorgenvollen Augen des Kapitäns. „Vielleicht fahren wir morgen weiter …“
    Der Kapitän zuckte mit den Schultern.
    „ Es ist Eure Entscheidung, Herr Lakyr.“
    Lakyr nickte.
    „ Ja“, murmelte er. „Es ist meine Entscheidung …“

    Im Laufe des Tages liehen wir uns dann Urgssinns Kutsche, um das Gut von Resdao-a-Gresresnu zu erreichen. Resdao war ebenfalls ein halbvergessener „Geschäftsfreund“ des Hauses Dergon, wenngleich er im Gegensatz zu Urgssinn schuldenfrei war.

    Aber es war uns bei diesem Vorhaben kein Glück beschieden: Resdao-a-Gresresnu, so erfuhren wir von seinem Verwalter, einem kahlköpfigen, feisten, aber überaus stattlichen Mann, sei samt Familie auf unbestimmte Zeit verreist.
    „ Aber ich habe mich Herrn Resdao brieflich angekündigt!“, schimpfte Lakyr ungehalten.
    „ Bedaure“, entgegnete der Verwalter ebenso höflich wie kühl, „aber ich bin nicht autorisiert, hierzu irgendwelche Aussagen zu machen.“
    So holperte unsere Kutsche also die unebenen Feldwege zurück und Lakyr seufzte schwer.
    „ Es wäre in der Tat das Beste, wir würden sofort aufbrechen“, erklärte ich sachlich. „Malint gleicht im Moment einem Wespennest; es gibt keinen Grund, sich hier länger als unbedingt nötig aufzuhalten!“
    Ganjon, unser ebenso fähiger wie primitiver Bogenschütze, der sich in letzter Zeit fast ständig in Lakyrs Nähe aufhielt, grinste schwachsinnig, während Lakyr selbst nichts von sich gab. Er gab mir zunächst nicht einmal zu verstehen, ob er mir überhaupt zugehört hatte. Nun, so ist das eben: Die Untergebenen und Bediensteten sind wohl zu allen Zeiten dazu gezwungen, die Launen ihrer Soldherren zu ertragen. Und ich hatte während meiner Zeit als Schreiber im Hause Dergon durchaus zur Genüge Gelegenheit dazu, mich darin zu üben!
    „ Ich will Euch sagen, was Euch hier hält, ehrenwerter Herr Lakyr“, stellte ich, vielleicht einen Schuss zu zynisch, fest. Aber ich bin eben auch nur ein Mensch wie alle anderen, mit einer beschränkten Fähigkeit zur Selbstbeherrschung zwar ausgestattet, ansonsten aber den Schwankungen des Gemüts ausgesetzt wie jedermann. „Ihr habt Angst“, fuhr ich dann fort.
    „ Ich?“
    Lakyr sah mich böse an.
    „ Ich

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