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Duell: Island Krimi (German Edition)

Duell: Island Krimi (German Edition)

Titel: Duell: Island Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Eins
    Erst als nach Ende des Films das Licht wieder angegangen war und alle Besucher das Kino verlassen hatten, fand der Platzanweiser die Leiche.
    Es geschah in einer Fünfuhrvorstellung mitten in der Woche. Die Kinokasse hatte wie gewöhnlich eine Stunde vor der Vorstellung aufgemacht, und der Junge hatte sich als Erster eine Karte gekauft. Die Frau an der Kasse hatte ihn kaum wahrgenommen. Sie war um die dreißig und trug ein blaues Seidenband im toupierten Haar. Ihre Zigarette qualmte in einem kleinen Aschenbecher vor sich hin. Sie hatte sich in eine dänische Illustrierte vertieft und kaum hochgeschaut, als er vor der Glasscheibe auftauchte.
    »Eine Karte?«, fragte sie, und der Junge nickte.
    Die Frau reichte ihm die Karte und das Wechselgeld. Das Programmheft schenkte sie ihm. Dann setzte sie ihre Lektüre fort, und er steckte das Wechselgeld in die eine Hosentasche, die Eintrittskarte in die andere und ging wieder nach draußen.
    Am liebsten ging er allein ins Kino, und zwar in die Fünfuhrvorstellung. Er kaufte sich immer eine Tüte Popcorn und dazu eine Flasche Limo. Er hatte einen Stammplatz in diesem Kino, genau wie in allen anderen Filmtheatern der Stadt. So wie die Kinos sich voneinander unterschieden, hatte er auch in jedem einen anderen Lieblingsplatz. Im Háskólabíó wollte er immer ziemlich weit links oben sitzen, denn es war bei weitem das größte Kino mit der größten Leinwand in der Stadt. Er saß dann gerne weiter von der Leinwand weg, damit ihm keine Details entgingen. Mit einer gewissen Entfernung zwischen sich und der Leinwand fühlte er sich auch sicherer, denn Filme konnten so sehr unter die Haut gehen, dass man sich völlig überwältigt fühlte. Im Nýja bíó setzte er sich immer auf einen Platz in der kurzen Bank im oberen Parkett direkt am Gang. Im Gamla bíó hingegen befand sich sein Lieblingsplatz im mittleren Parkett. Wenn er ins Austurbæjarbíó ging, saß er immer rechts, drei Reihen unterhalb des Eingangs. Im Tónabíó war die Reihe beim Eingang am besten, wo er die Beine ausstrecken konnte und die Leinwand in sicherer Entfernung war. Das Gleiche galt für das Laugarásbíó.
    Im Hafnarbíó, dem Kino am Hafen, verhielt es sich etwas anders als in den anderen Kinos, und es hatte lange gedauert, bis er den richtigen Platz gefunden hatte. Es war das kleinste Kino von allen und von der Einrichtung her auch das schlichteste. Zunächst kam man in ein nicht sehr großes Foyer, in dem sich ein kleiner Stand mit Süßigkeiten befand. Rechts und links daneben waren die Eingangstüren zum Kinosaal. Der Saal selbst erstreckte sich schmal und lang unter einem Tonnengewölbe, das von einer Militärbaracke aus den Kriegsjahren stammte. Auf beiden Seiten der Sitzreihen befanden sich die Gänge, die zu den Ausgängen rechts und links neben der Leinwand führten. Einige Male hatte er ziemlich weit oben links gesessen, nur ein paar Plätze vom Gang entfernt, manchmal auch links direkt am Gang, bis er schließlich seinen festen Platz weiter hinten rechts gefunden hatte.
    Es war noch etwas Zeit bis zum Beginn der Vorstellung, und er ging über die Skúlagata hinunter zum Meer, wo er sich auf einen großen, von der Sonne beschienenen Felsbrocken setzte. Er trug ein grünes Blouson und einen weißen Schal, und er hatte eine Schultasche dabei, in der sich ein relativ neuer Kassettenrekorder befand. Er nahm den Apparat heraus und platzierte ihn auf seinen Knien. Er hatte zwei Kassetten dabei, von denen er eine in das Gerät schob. Dann drückte er auf den roten Aufnahmeknopf und hielt das Mikrofon in Richtung Meer. Kurze Zeit später stoppte er die Aufnahme, spulte zurück, drückte auf Play und lauschte dem Geplätscher der Wellen. Er spulte ein weiteres Mal zurück. Die Probeaufnahme war beendet. Das Gerät war startklar.
    Er hatte die Kassetten bereits mit dem Namen des Films beschriftet.
    Den Rekorder hatte er vor mehr als einem Jahr zum Geburtstag geschenkt bekommen. Zunächst hatte er gar nicht gewusst, was er damit anfangen sollte. Er lernte aber schnell, ihn zu bedienen. Es war ja auch kinderleicht: aufnehmen und abspielen, vorwärts und rückwärts spulen, schnell oder langsam. Anfangs hatte er es witzig gefunden, seine eigene Stimme zu hören, so als käme sie aus einem Radio, aber das verlor schnell seinen Reiz. Er hatte sich Musikkassetten gekauft, unter anderem aus der Serie Top of the Pops der britischen Hitliste. Und eine Kassette mit Simon und Garfunkel. Da seine Eltern aber einen

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