Berge Meere und Giganten (German Edition)
bog wieder den Arm: »So hab’ ich damals gemacht, White Baker, nicht wahr? Aber unser Freund Klokwan hat schon die entscheidende Frage gestellt. Und sag’ du mir: wo, wenn ich schieße und schlage, wo ist das Ziel?« »Es gibt nur den Völkerkreis oder die anderen. Delvil und ihr, ihr könnt doch nicht daran zweifeln. Und daß sie uns an den Hals wollen. Daß wir im Begriffe sind, vernichtet aufgelöst zu werden.«
Klokwan hatte seine Decke fallen gelassen, gespannt zugehört: »Ich frage die Frau nochmal, wie der Herr Delvil, wohin sie ihren Bogen richtet. Francis Delvil, mein großer Freund, meinte zuerst, wir stünden wie unsere Voreltern vor dem Uralischen Krieg. Ich sagte nicht so. Wir stehen schlimmer. Er sieht es selbst. Weil wir doch den Feind nicht haben.« White Baker lachte stolz: »Unsere Voreltern hatten auch keinen Feind. Wahrhaftig sie hatten ihn nicht. Sie machten ihn. Es ist leicht Menschen zu Feinden zu machen, wenn man überlegen ist. Sie hatten einen Schmerz in der Brust und dann schlugen sie – auf die andere Brust!« Die Frauen auf den Matten lachten ihr mit blinkenden Augen zu. Klokwan hob seine Decke wieder, blickte stumm über die Frauen. Seine drei männlichen Gefährten saßen verhüllt, die Decken über dem Kopf, nur Mund und Nase freilassend. Klokwan: »Und ihre eigene Brust? Der Schmerz in ihrer eigenen Brust war dann vergangen?« White Baker: »Ja.«
Einer der Männer neben Klokwan hatte seine Decke auf die Schulter heruntergezogen. Er tuschelte mit einer Frau zu seinen Füßen; der Mann flüsterte dann mit Klokwan. Alle in dem kleinen winddurchhauchten Zelt blickten ihn an. Klokwan senkte den Kopf zu seinem Nachbarn, bat dann sprechen zu dürfen. Eine Frau seiner Sippe, die Ratschenila, wüßte etwas, sie möchte es erzählen.
Die Frau am Boden spuckte den Tabak neben sich, richtete sich auf, strich sich ihr schwarzes Haar glatt, redete leise und langsam, während sie die Hände bald auf dem Schoß hielt, bald rechts und links an ihren Ohrringen. Sie blickte nur die Frauen neben sich an. Man erzähle bei ihnen in den amerikanischen Städten eine Geschichte aus der Zeit, wo noch ihr Volk in den Bergen jagte. Es seien einmal mehrere Mädchen zum Früchtesuchen in den Wald gegangen, die Tochter eines Vornehmen war dabei. Sie kamen an einer Tierspur vorbei und da lag Losung eines Bären. Die Tochter des Vornehmen fing da an, über das wilde Tier zu spotten: es sei ein langsamer blinder dicker dummer Gesell. Gegen Abend gingen sie wieder zurück. Da fiel der Häuptlingstochter der Korb mit den Früchten aus der Hand. Sie schüttete sie aus, sammelte sie ein; die Gefährtinnen halfen ihr. Aber nach hundert Schritt fiel ihr wieder der Korb weg, und nach hundert Schritt wieder. Da wurden die anderen Mädchen ärgerlich, gingen weiter, ließen sie allein sammeln. Und wie die Häuptlingstochter zuletzt die Früchte wieder eingesammelt hatte, waren ihr die anderen aus den Augen gekommen. Sie stand allein an einem Baum, in der Dämmerung, fand nicht den Weg. Da kam von der Seite ein junger schlanker Mann auf sie zu, in einer schwarzen Pelzkappe, ein ernster ruhiger Mann. Der bat sie, ob er von ihren Früchten essen könne. Sie gab ihm, erzählte, wie es ihr ginge und daß sie sich verlaufen hätte. »Warum hast du dich denn verlaufen?« »Die andern sind so rasch gegangen, sie haben mir nicht geholfen.« Und gleich erzählte sie von der Bärenspur und der Losung am Weg, lachte und spottete wieder. Der Jüngling aß nicht mehr von ihren Früchten, kaute an seinen Nägeln, sagte er wisse den Weg, sie solle kommen. Sie gingen lange; es war schon ganz dunkel. Da fragte der hübsche Mann nach einiger Zeit, ob sie noch den Korb trage, und dann nahm er ihn und warf ihn weg. Sie schlug nach ihm, weinte. Er sagte, man könne so besser und rascher gehen, es sei noch weit. Sie wollte weglaufen. Er nahm sie aber bei der Hand. Da bekam sie Angst, weil sie jetzt erst merkte, wie er sonderbar ging, der junge Mann, plump und langsam, so wacklig watschlig. Sie schrie, sie hätte Herzstiche, sie könne nicht mehr gehen. Und dann: der Leib täte ihr weh vom Beerenessen. Er sagte, sie solle nur kommen; sie seien bald da. Da wo das Licht brenne, sei seine Wohnung. Er sagte aber nicht Wohnung, er sagte: Wohne. Sie kicherte, faßte ihn an seine Brust, sah ihn an: es heiße doch nicht »Wohne«, es heiße »Wohnung«. »Doch. Wir sagen Wohne.« »Das ist ja Unsinn. Wer seid ihr denn?« »Wir? Du kennst uns doch.
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