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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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alte Tradition sei unterbrochen. Sie fochten mit Worten über dem Meer hin. Die tücherbehangene Deputation der Männer Frauen und Sklaven spazierte indessen in den Anlagen der Stadt, drängte: sie könne nichts weiter sagen und was sie nach ihrem Kontinent melden sollten.
    Es war in diesen kritischen Monaten, in denen der Völkerkreis schon wieder sich zu lösen begann, wo eben dieselbe White Baker, die kluge und tatkräftige Frau, umschwenkte, sich auf seiten Delvils stellte. Aufs heftigste waren Delvil wie Pember ergriffen, als sehr blaß und still die White Baker eines Morgens zu ihnen in das Senatszimmer trat, jene bräunliche tuchverhängte Ratschenila an der Hand, sich setzte und lange nicht sprach. Die Ratschenila lachte die weiße Frau an, streichelte ihr die Backen, lehnte den Scheitel an ihren Hals. White Baker sah wie ein verschämtes junges Mädchen auf ihren Schoß und ließ es sich gefallen. Auch als sie mit den beiden Männern sprach, hielt sie die ringgeschmückte Hand der fremden Frau fest. Ratschenila lächelte die Männer an: »Glaubt ihr, ich sei schuld, daß White Baker trübe ist und anders redet? Man erzählt bei uns, es habe einer, ein Mann einen andern, der Jelch den Kanuk, ärgern wollen und ihm in der Nacht Hundekot unter die Decke geschoben. Er weckte ihn und sagte: es stinkt hier. Du Kanuk, steh auf, du hast dich schmutzig gemacht. Ich – hab’ der White Baker nichts getan.« Die weiße Frau drückte ihr fester die Hand, machte kleine Augen: »Wie kommt es, Delvil, daß ihr schon viel früher wußtet als ich, was man tun soll? Wie seid ihr Männer. Oder liegt es nur an mir. Ich bin jetzt«, und sie senkte den starken braunhaarigen Kopf, »fast bin ich jetzt mehr geneigt, zu Marduk, zu Zimbo zu gehen als in London zu sein.« Der ruhige Pember klopfte ihr Knie: »Es ist gut, daß es so ist. Man kämpft besser, wenn man weiß, wie stark der Feind.« »Ich sehe keinen Feind, Pember.« »Doch. Heute nicht und morgen doch.«
    Von nichts war die White Baker, die in diesen Tagen einen kranken gebrochenen Eindruck machte, getroffen worden, als von der Berührung mit den Frauen dieser Deputation. Zu ihrer Art, ihren Gesprächen Spielen wurde sie unter Widerstreben, zu ihrer eigenen Verblüffung gezogen. Als die Ratschenila die wachsende Neugier und Zugänglichkeit der weißen Frau sah, näherte sie sich ihr und fesselte fällte sie mit einigen Liebkosungen. White Baker, deren Backen plötzlich eingefallen waren und die langsamer sprach, bat, Delvil in seinem Haus aufsuchend, Delvil Pember und die andern möchten auf sie keine Rücksicht nehmen. Möchten sich gar nicht von ihr beeinflussen lassen. Sie sei ein pathologischer Fall. Sehr nachsichtig streichelte ihr der schlanke Delvil oft die Hand: »Wie denn, White Baker, bist du ein pathologischer Fall. Wir sind alle pathologische Fälle. Sieh dir Klokwan an, deine Freundin Ratschenila, die junge gelbe Kaskon neben ihr: es wackelt bei allen. Warum bist du ein pathologischer Fall. Es ist nichts weiter, als daß du, soll ich es sagen, etwas rückständig warst. Ja, White Baker; jetzt heißt du mit Recht White. Aber ich schenke dir rote Nelken, rote Tulpen: da spiegelst du dir wieder deine Farbe an.« »Warum war ich rückständig, Delvil?« »Ja. Du warst ein Anachronismus. Wir weniger als du. Aber auch wir noch ein klein bißchen. Es heißt, sich immer in die Zeit einfinden. Sonst ist man töricht störrisch widerspenstig. Es nützt auch gar nichts. Man ist so nur Stoff für Tragödien.« »Ich hätte doch stark bleiben müssen. Marduk war stark.« Delvil umschlang ihre Schultern: »Undankbare. Fabelhaftes Seeungeheuer Walfisch, der immer unter der Oberfläche schwamm und sich jetzt wundert, wie es oben aussieht. Was hättest du damit geschafft. Du bist nicht schwach, weil du gelernt hast, deine Augen zu benutzen. Ich will dir sagen: Marduk war stark. Seine Bäume und Zimbos wachsen nicht in den Himmel. Wer sehen kann, White Baker, schwimmt gern mit dem Strom. Der Strom hat aber seine Grenzen; es gibt Klippen, der Strom hat auch einmal ein Ende.« »Ich kann jetzt gar nichts hören, Delvil.« Die Frau löste sich von seinem Arm: »Mir kommt vor, als wenn ich gar nicht aus dem Wasser an die Oberfläche gekommen bin, sondern umgekehrt. Aber ich muß vielleicht meine Augen erst gewöhnen.« Und sie ging langsam fort. Trübe blieb Delvil sitzen.
    Der einige Londoner Senat, des Widerstandes der starken Frau entledigt, trat von diesem Zeitpunkt an

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