Bergrichters Erdenwallen
unter erneuter Umarmung dem Vater zu: „Verzeih' mir, süßer Papa! Ich kann nichts dafür — Franz!“
Jetzt löste Ehrenstraßer die Umarmung und ernst sprach er: „Was muß ich hören? Wer ischt Franz? Wie kommt meine engelreine Tochter zu einem Franz? Wer ischt das? Was hat es gegeben? Ich will nicht hoffen — —“
Abwehrend rief Emmy: „Nein, nein, lieber Papa, wie kannst du nur denken! Ich kenne meine Pflicht! Aber —“
„Was aber?“
Verwirrt stammelte Emmy: „Franz, der Sohn des Cementfabrikanten Ratschiller, hat mich begleitet auf dem üblichen Spaziergang und hat mich —“
„Nun?“
„..... hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden möchte! Verzeihe mir, lieber Papa!“
„So? Das ischt ja das Allerneuste! Und der junge Mann scheint nicht zu wissen, bei wem man zuerst in solchen Angelegenheiten anfrägt?“
Errötend lispelte Emmy: „Verzeihe, Papa! Franz wollte zuerst meine Meinung wissen, er kommt dann gewiß zu dir, um deinen Segen zu erbitten!“
„Ei, der Tausend! Also perfectum est! Ich muß sagen: Eine solche Selbständigkeit hätte ich meiner sanften Emmy gar nicht zugetraut! Du hast dem Cementmenschen also schlankweg dein Jawort gegeben?“
„Doch nicht, lieber Papa! Ich habe nur gesagt, Franz solle um deinen Segen bitten!“
„Ach, du liebe Einfalt vom Lande!“ lachte der Richter auf.
„Bitte, bitte, lieber Herzenspapa, sei nicht böse, und gieb uns deine Einwilligung!“ flehte in holder Verwirrung die Tochter.
„Adagio, lento tempo, Kind! Ein alter Jurist überstürzt nichts! Und im tempo furioso wird nicht geheiratet. Der alte, goldene Juristenspruch: „Quis, quid, ubi, quibus auxilius, cur quomodo, quando“ gilt auch in diesem Falle!“
„Papa, ich verstehe kein Wort von dem gelehrten Zeug!“
Ehrenstraßer lächelte. „Das glaub' ich gern! Doch genug nun von der überraschenden Sache! Geh' heim, Emmy, wir werden darüber schon noch reden!“
„Bitte, Herzensväterchen, bitte schön!“ schmeichelte das Mädchen.
„Nur nicht pressieren, Kind! Ich höre Stimmen im Warteraum, es wird der citierte Wachtmeister kommen! Verlaß mich nun, Kind, mich ruft die Pflicht! Adieu, Emmy!“
Das Mädchen küßte Papa herzhaft und wirbelte dann zur Thüre hinaus.
„Eine schöne Bescheerung! Aber ein gutes Kind ischt Emmy doch, denn von dem Werber weg ischt sie zum Vater gelaufen! Eigentlich ganz natürlich, ich bin ihr ja der einzige und nächste, hm, der einzige dürfte ich gewesen sein!“ murmelte der Richter und klingelte dann.
„Herr Bezirksrichter befehlen?“ fragte der eintretende Diener.
„Ischt der Wachtmeister da? Soll eintreten!“
„Zu Befehl, Herr Bezirksrichter!“ rief Perathoner und schob seine Kugelgestalt ins Vorzimmer hinaus.
Gleich darauf trat der stämmige Gendarmeriewachtmeister, der wohl in Uniform war, jedoch nur das Seitengewehr und statt des Federnhutes das gewöhnliche Dienstkäppi trug, salutierend ein und stellte sich militärisch stramm vor dem Richter auf. „Herr Bezirksrichter befehlen?“
„Mein lieber Wachtmeister! Sie werden vom Gendarmen, der heute mit auf Kommission beim Amareller war, bereits erfahren haben, daß wir nicht viel Erfolg hatten. Ich will den Akt nun nicht schlummern lassen, vielleicht kann seitens der Gendarmerie gelegentlich eine wertvolle Wahrnehmung gemacht werden. Ich möchte Sie daher dahin verständigen, daß nach dem Befund der erbrochenen Truhe im Hemmernmooshofe das gebrauchte Werkzeug sehr wahrscheinlich ein Schraubenzieher mit einer abgebrochenen Ecke gewesen ischt. Achten Sie und die Ihnen unterstellte Mannschaft bei Requisitionen, Besuchen und sonstigen Patrouillen auf ähnlich beschaffene derartige Werkzeuge und erstatten Sie mir dann sogleich Anzeige.“
„Sehr wohl! Haben Herr Bezirksrichter sonst noch Befehle für mich?“
„Nein! Ich danke Ihnen!“
Mit militärischem Gruß trat der Wachtmeister ab. Der Richter wollte sich weiter seiner Arbeit widmen, doch parierten die Gedanken nimmer, die sich mit der überraschend gekommenen Verlobung beschäftigten. So quälte sich Ehrenstraßer ab, einen Akt fertig zum Expedit zu stellen und endlich legte er die Feder nieder und ging nach Hause.
II.
Ziemlich am Ende des Städtchens, in einer Art Villenviertel, stand das Haus, in welchem der Richter sich vor Jahren eingemietet hatte, weil im Amtsgebäude die Räume zu einer Dienstwohnung nicht ausreichten. Ehrenstraßers zweite Frau hatte sogleich nach der Trauung lebhaft protestiert
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