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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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hat Freude dran gehabt, den Sohn groß zu sehn, – der Vater ein Pflänzchen, der Sohn ein Baum, – und in Montenegro haben sie ihn angesprochen als Graf und Fürst. Man hätte ihm nicht geglaubt, hätte er gesagt: mein Vater heißt Zannowich, wir sitzen in Pastrowich auf einem Dorf, worauf mein Vater stolz ist! Man hätte ihm nicht geglaubt, so ist er aufgetreten wie ein Adliger aus Padua und sah aus wie einer und kannte auch alle. Hat Stefan gesagt und gelacht: Sollt ihr euren Willen haben. Und hat sich bei den Leuten für einen reichen Polen ausgegeben, wofür sie ihn selber hielten, für einen Baron Warta, und da haben sie sich gefreut, und er hat sich gefreut.«
    Der Strafentlassene hatte sich mit einem plötzlichen Ruck aufgesetzt. Er hockte auf den Knien und belauerte von oben den andern. Jetzt sagte er mit eisigem Blick: »Affe.« Der Rote gab geringschätzig zurück: »Dann werd ich ä Affe sein. Dann weiß der Affe doch mehr als mancher Mensch.« Der andere wurde schon wieder auf den Boden heruntergezwungen. (Bereuen sollst du; erkennen, was geschehen ist; erkennen, was nottut!)
    »So kann man also weitersprechen. Es ist noch viel zu lernen von andere Menschen. Der junge Zannowich war auf diesem Weg, und so ging es weiter. Ich habe ihn nicht erlebt, und mein Vater hat ihn nicht erlebt, aber man kann ihn sich schon denken. Wenn ich euch frage, Ihr, der mich einen Affen nennt – man soll kein Tier auf Gottes Erdboden verachten, sie geben uns ihr Fleisch, und sie erweisen uns auch sonst viele Wohltaten, denkt an ä Pferd, an ä Hund, an Singvögel, Affen kenn ich nur vom Jahrmarkt, sie müssen Possen reißen an der Kette, ä schweres Los, kein Mensch hat solch schweres –, nun ich will Euch fragen, ich kann Euch nicht bei Namen nennen, weil Ihr mir Euren Namen nicht sagt: wodurch ist der Zannowich weitergekommen, der junge wie der alte. Ihr meint, sie haben ein Gehirn gehabt, sie sind klug gewesen. Sind noch andere klug gewesen und waren mit achtzick Jahren nicht so weit wie Stefan mit zwanzick. Aber die Hauptsache am Menschen sind seine Augen und seine Füße. Man muß die Welt sehen können und zu ihr hingehn.
    So hört, was Stefan Zannowich getan hat, der die Menschen gesehn hat und der wußte, wie wenig man sich vor Menschen fürchten muß. Seht einmal, wie sie einem die Wege ebenen, wie sie fast dem Blinden den Weg zeigen. Sie haben von ihm gewollt: Du bist der Baron Warta. Scheen, hat er gesagt, bin ich der Baron Warta. Später hat ihm das nicht genügt, oder ihnen nicht. Wenn schon Baron, warum nicht mehr. Es gibt da ä Berühmtheit in Albanien, die war lange tot, aber sie feiern ihn, wie das Volk Helden feiert, er hieß Skanderbeg. Wenn Zannowich gekonnt hätte, hätte er gesagt: er ist selber Skanderbeg. Wo Skanderbeg tot war, hat er gesagt, ich bin ein Nachfahr Skanderbegs, und warf sich in die Brust, hieß Prinz Castriota von Albanien, er wird Albanien wieder groß machen, sein Anhang wartet auf ihn. Sie gaben ihm Geld, damit er leben könne, wie ein Nachkomme Skanderbegs lebt. Er hat den Leuten wohlgetan. Sie gehn ins Theater und hören ausgedachte Dinge an, die ihnen angenehm sind. Sie bezahlen dafür. Können se auch dafür bezahlen, wenn ihnen die angenehmen Dinge nachmittags passieren oder vormittags, und wenn se selbst dabei mitspielen können.«
    Und wieder richtete sich der Mann im gelben Sommerpaletot auf, hatte ein trübes, faltiges Gesicht, blickte von oben auf den Roten, räusperte sich, seine Stimme war verändert: »Sagen Se mal, Sie, Sie Männeken, Sie sind wohl übergefahren, wat? Sie sind wohl überkandidelt?« »Übergefahren, vielleicht. Einmal bin ich ein Affe, das andere Mal bin ich meschugge.« »Sagen Se mal, Sie, wat sitzen Sie eigentlich hier und quatschen mir vor?« »Wer sitzt auf der Erde und will nicht aufstehn? Ich? Wo ein Sofa hinter mir steht? Nun, wenn es Euch stört, hör ich schon auf zu sprechen.«
    Da zog sich der andere, der sich zugleich im Zimmer umgesehn hatte, die Beine hervor und setzte sich hin mit dem Rükken gegen das Sofa, die Hände stützte er auf den Teppich. »So sitzt Ihr schon bequemer.« »Nun können Se also sachte aufhören mit dem Quatsch.« »Wenn Ihr wollt. Ich habe die Geschichte schon oft erzählt, mir liegt nichts dran. Wenn Euch nichts dran liegt.« Aber nach einer Pause drehte ihm der andere wieder den Kopf zu: »Erzählen Sie man ruhig weiter die Geschichte.« »Nu seht. Man erzählt und spricht miteinander, die Zeit vergeht einem

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