Besessen
konnte nur flüstern und hielt sich die Hand vor den Mund. Sie hörte das Band noch einmal ab, und ihr ganzer Körper verkrampfte sich. Auch Don war innerlich völlig verspannt, obwohl er versuchte, nach außen hin kühl zu wirken. Sein Gesicht war starr, allerdings suchte er unablässig den Raum ab, als fürchte er, jemand könne hervorstürmen und Kaylie angreifen.
Warum ausgerechnet jetzt?, fragte sie sich panisch. Wieso? Kaylie biss sich auf die Unterlippe, dann überlegte sie, dass das ein Zeichen ihrer Unsicherheit war, und riss sich zusammen, gerade als die Aufnahme verstummte. „Wieso hat dieser Ted dich angerufen? Warum nicht mich?“
„Keine Ahnung“, gab Don zu und trank einen Schluck von seinem Whisky. „Die Anstaltsleitung sagt, Johnston soll nicht entlassen werden. Jedenfalls nicht jetzt.“ Aus seinem Blick sprach die unterdrückte Wut. „Bislang haben wir nur diese Anrufe hier. Ich habe mit Johnstons Arzt gesprochen, und es hat mir nicht gefallen, was er gesagt hat.“
„Aber er sagte nicht, dass Johnston entlassen werden soll.“ Fast flehend blickte Kaylie ihn an.
„Nein, trotzdem habe ich ein merkwürdiges Gefühl. Henshaw war zu vorsichtig in seiner Ausdrucksweise. Ich wette, dass der Kerl bald rauskommt, Kaylie. Wer auch immer dieser Anrufer ist, er hat seine Gründe.“
„Das ist entsetzlich!“ Kaylie zitterte am ganzen Körper. Die schrecklichsten Momente ihres Lebens fielen ihr wieder ein. Die Erinnerungenan einen geistig verwirrten Mann, der geschworen hatte, für sie zu töten. „Sie können ihn nicht gehen lassen. Er ist krank! Verrückt!“
Don zuckte mit den Schultern. „Er ist schon eine lange Zeit eingesperrt. Ein Musterpatient. Mich würde es nicht überraschen, wenn die Gerichte entscheiden, dass er sich gebessert hat.“
An jenem schrecklichen Abend hatte Johnston sie bedroht. Ein Messer hatte er ihr vor die Augen gehalten und ihr eine Hand auf den Magen gepresst, als er sie aus dem Theater drängte. Er hatte ihr geschworen, dass er für sie töten würde, und sie sollte dabei Zeugin sein, wenn er ihr ein Opfer brachte.
In Gedanken konnte Kaylie immer noch dieses vom Wahnsinn verzerrte Grinsen sehen. Sie spürte wieder seinen vor Erregung bebenden Körper an sich gepresst und roch den widerlichen Geruch seines Atems.
Kraftlos ließ sie sich gegen die Wand sinken und fühlte die raue Tapete an ihrem nackten Rücken. Denk nach, Kaylie, befahl sie sich. Sie wollte nicht schwach wirken. Mit Mühe drängte sie die panische Angst zurück und richtete sich auf. Jetzt durfte sie sich einfach nicht gehen lassen. Sie blickte Don an und hoffte, dass er nichts von dem Entsetzen merkte, das sie immer noch erfüllte. „Ich denke, ich sollte lieber selbst mit Henshaw sprechen.“
„Ich habe nichts dagegen.“
Mit unsicheren Schritten ging sie in die Küche, suchte die Nummer der Heilanstalt heraus und wählte mit zitternden Fingern. Beim vierten Klingeln meldete sich eine Empfangsdame. „Whispering Hills.“
„Ich möchte gern mit Dr. Henshaw sprechen, bitte. Hier ist Kaylie Melville … Ich … ich kenne einen seiner Patienten.“
„Oh, Miss Melville! Natürlich, ich sehe Sie jeden Morgen im Fernsehen.“ Die Frau klang aufgeregt. „Aber es tut mir leid, Dr. Henshaw ist im Moment nicht da.“
„Vielleicht kann ich dann mit jemand anderem sprechen.“ Doch außer der Empfangsdame bekam sie niemanden ans Telefon. Kein anderer Arzt und nicht mal eine Schwester wollte mit ihr sprechen. Aus einem plötzlichen Einfall heraus erkundigte sie sich, ob sie mit Ted reden könne, doch die Frau sagte ihr, es gebe niemanden mitdem Namen Ted in Whispering Hills. Bevor die Empfangsdame auflegen konnte, sagte Kaylie: „Sagen Sie mir doch bitte, ob Mr. Lee Johnston noch bei Ihnen als Patient ist.“
„Ja, das ist er“, sagte die Frau flüsternd. „Aber mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Tut mir leid, wir haben strenge Regeln, was die Auskunft über Patienten angeht. Wenn Sie mir Ihre Nummer geben, wird Dr. Henshaw Sie zurückrufen.“
„Danke.“ Kaylie nannte ihre Telefonnummer und legte auf. Sie goss sich ein Glas Wasser ein und versuchte, ihre Angst zu bewältigen. Sie trank das kalte Wasser und ballte die Hände zu Fäusten, um ruhiger zu werden.
Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, saß Don immer noch auf dem Sofa. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, blickte er Kaylie besorgt an. Einerseits liebte sie ihn dafür, dass er sich um sie Gedanken machte, andererseits
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