Besitze mich! (Band 2)
kontrollieren konnten.
Elsa hatte Lust, mehr darüber zu erzählen, und ich wollte mehr verstehen.
– Ich habe Adrien wie verrückt geliebt, als ich in Paris lebte.
Belleville im April
ist ein wenig meine Geschichte, eine Geschichte, die ich vermutlich mit ihm gelebt habe. Schließlich erkannte ich mich in dieser Erzählung, aber ich bin nicht allein, oder besser gesagt ich bin nicht die Einzige. Man ist nie die Einzige. Man ist für ihn immer eine Frau. Haben Sie bemerkt, dass seine Heldin keinen Namen hat? Ich war verheiratet, ich hatte mein erstes Kind bekommen, als ich ihn zu einem Interview traf, das war's. Nichts glich dem zuvor Erlebten, es war unmöglich, zurückzukehren. Ich habe mich entschieden, alles hinzuschmeißen.
Elsa müsste 40 Jahre alt sein, und sie hat eine Wahl getroffen. Ein Leben danach. Elsa gehörte zu jenen Frauen, die ihr Leben riskierten für ihr Leben danach. Wie bei allen Frauen, die ich für das Projekt mit Esther interviewen würde, fühlte ich mich ihr verbunden und empfand keinerlei Eifersucht. Ich fand sie schön und stark durch die Kraft der Begierde, die sie zu Fall gebracht hatte. Ich konnte das an ihr sehen. Elsa war traurig, zerbrechlich, aber so lebendig.
Ich riet ihr von dem Glas Champagner ab, das ihr der Oberkellner reichte, bevor sie zum Tisch ging. Elsa verstand es, sich kaputt zu machen, das konnte man auch sehen. Ich riet ihr, sich ein wenig zurückzuziehen, abseits der Bar und der Menschen. Dann kam er, ich sah es in den Augen von Elsa, deren Gesichtsausdruck sich plötzlich änderte.
Ihr Lächeln. Reizend, unwiderstehlich. Ihre braunen Locken, ihre einstudierte Eleganz. Wir bemerkten es beide gleichzeitig. Mit demselben Verlangen und demselben Entsetzen, nicht zurückweichen zu können. Hatte er eine genaue Vorstellung darüber, was er tun würde? Hatte er bereits einen Ausgang im Hinterkopf? Er nahm mich an der Schulter, absichtlich vor Elsa.
– Elsa, du hast zu viel getrunken. Es scheint mir nicht vernünftig, wenn du an diesem Abendessen teilnimmst. Wir wissen, wie das enden kann. Ich rufe einen Chauffeur und bitte ihn, dich nach Hause zu bringen, sagte er, während er leicht ihre Oberschenkel berührte, um sie schließlich an der Taille festzuhalten.
Elsa unterdrückte ihre Tränen, holte ihre Sachen, und stieg in das Auto. Sie nahm versehentlich meine Samtjacke und verließ das Hotel. Adrien sah, wie ich danach suchte, und bat mich, zu warten.
Ich wusste nicht, wie und warum er eine viertel Stunde später mit meiner Jacke auf dem Arm zurückkam. Wie hatte er Elsa und mein Kleidungsstück gefunden? Er hatte also ihre Nummer, sie hatten miteinander gesprochen, wenn auch nur kurz, um was zu sagen? Diese ausweglose Geschichte, die für immer vorbei war, hatte bei Elsa Spuren hinterlassen. Und ich, ich wollte immer noch, das unsere Geschichte weitergeht. Ich wollte kein Zeichen, das mir das Gegenteil sagte. Ich wusste, dass mich derselbe Ausgang erwartete und dass ich dieselben Tränen vergießen würde. Daran bestand kein Zweifel. Und dieses Gefühl ließ mich den ganzen Abend nicht los. Kein geistreiches Wort des Verlegers, kein Versuch einer Diskussion eines Berliner Journalisten, kein Zeichen von Adrien ließ mich in diesem Augenblick die traurigen Augen von Elsa vergessen.
Einer der Verleger erzählte mir von meinem Artikel, der ihm sehr gefallen hatte und fragte mich nach meinen Projekten. Plötzlich richtete sich die Aufmerksamkeit an unserem Tisch auf meine Erzählung über
Das Leben danach
. Ich wusste nicht genau, wie Adrien die Aufmerksam auffasste, die ich erregte, aber ich fühlte, dass ihm das gefiel, dass er mich gern über diese Portraits der Frauen erzählen hörte. Ich war gerührt, er auch.
– Ist sie nicht wundervoll? Ich habe Alice gebeten, mich hierher zu begleiten, da ich finde, dass sie mit viel Sinn über Personen und Bücher spricht. Heutzutage verleiht man nur selten lebhaften Emotionen Ausdruck, aus Angst, sie würden uns angreifbar machen.
Ulrich, ein Verleger, fuhr fort:
– Alice, warum werden die deutschen Leserinnen Ihrer Meinung nach
Belleville im April
lieben?
Ich antwortete ohne zu zögern, mit einer Sicherheit, die ich an mir nicht kannte.
–
Belleville im April
schildert mit wahren, unverschönten Worten, die aus dem tiefsten Inneren entspringen, was eine Frau empfindet, wenn die Liebe von ihr, ihren Bildern, ihren Worten, ihren Kindern, und von allem anderen Besitz ergreift. Adrien versteht es, all das aus Sicht
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