Bewahre meinen Traum
rein‘?“, fragte Nina. „Das Hotel ist geschlossen.“
„Stimmt.“ Er steckte eine Hand in die Tasche. „Glücklicherweise habe ich einen Schlüssel.“
Sie schaute ihn fassungslos an. Ihr Gesicht wurde aschfahl, und ihre Stimme krächzte ungläubig, als sie sagte: „Ich verstehe nicht. Was machst du mit dem Schlüssel?“
Oh je. Auf diese Weise hatte er es ihr nicht sagen wollen. Er hatte sich einen Geschäftstermin vorgestellt, den sie beide in trockener Straßenkleidung wahrnahmen. Was soll’s? dachte er. „Das Inn am Willow Lake gehört jetzt mir.“
Nicht nur, dass Nina Romano ein Gesicht wie Sophia Loren hatte, mit großen, wunderschönen Augen und vollen Lippen; sie hatte auch ein Gesicht, auf dem sich jede Emotion zeigte. Sie war nicht reserviert und kühl wie die Mädchen, mit denen Greg aufgewachsen war – blutleere, glatthaarige Schulmädchen oder die Königin der unterdrückten Gefühle, seine Exfrau Sophie. Nina zeigte alles, was sie fühlte. Vielleicht fand Greg sie deshalb ein wenig furchteinflößend. Er spürte, dass Nina, anders als die Brooke Harlows auf dieser Welt, eine echte Bedrohung sein könnte, weil sie ihn außer purer Lust noch etwas anderes fühlen lassen könnte.
Im Moment zeigte sie eine ganze Palette von Emotionen – Schock, Verleugnung, Schmerz, Wut … aber keine Akzeptanz.
„Du bist also derjenige, der das Objekt gekauft hat, während ich fort war“, sagte sie, und Wut untermalte jedes einzelne Wort.
„Gilmore hat es dir nicht erzählt?“
Sie funkelte ihn an. „Dazu habe ich ihm ehrlich gesagt keine Gelegenheit gelassen.“
Greg wusste nicht, warum sie so erbost war – oder warum er das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen. „Es ist vermutlich ein glücklicher Zufall, dass wir beide jetzt hier stehen. Ich weiß, dass du den Vertrag als Managerin für das Inn hast. Den müssen wir noch einmal neu verhandeln.“
Sie strahlte immer noch heiße, pure Wut aus. „Neu verhandeln.“
„Du hast diese Vereinbarung mit der Bank getroffen. Der Vertrag ist mit allen anderen Vermögenswerten zusammen verkauft worden, aber wir müssen einige Dinge an ihm ändern.“
„Was du nicht sagst.“ Damit drehte sie sich um und marschierte entschlossen auf das Inn zu.
In dem Moment, in dem sie von der umlaufenden Veranda in den Wintergarten des Inns trat, fühlte Nina sich, als beträte sie eine andere Zeit. Auch wenn das Haus bessere Tage gesehen hatte, schwebte ein Hauch von verblasster Vornehmheit und Eleganz zwischen den Türbögen, den hohen Decken und den im gotischen Stil gehaltenen Holzfenstern. Sie hatte hier schon viel Zeit verbracht, sowohl in Wirklichkeit als auch in ihren Träumen. Der Geruch von frischem Gips und Farbe zeigte ihr an, dass die Renovierungsarbeiten bereits begonnen hatten.
Als kleines Mädchen hatten sie und ihre beste Freundin Jenny immer zugeschaut, wie die Rainbow Girls in ihren weißen Kleidern und den passenden Handschuhen zu ihren monatlichen Treffen hierhergegangen waren. Die Rainbow Girls waren eine Gruppe privilegierter junger Ladys, die sich um wohltätige Zwecke kümmerten. Sie waren Nina immer wie eine andere Gattung vorgekommen, wie Elfen, die sich von einer speziellen Diät aus Baiser und Sahne ernährten. Sie hatte nie wirklich eine von ihnen sein wollen – sie waren ihr immer ein wenig langweilig vorgekommen –, aber sie hatte ihre Gastgeberin sein wollen. Wenn sie mit Jenny auf dem Fahrrad am Inn vorbeigefahren war, hatte sie immer gesagt: „Eines Tages wird das Inn mir gehören.“
Die Besitzer, Mr und Mrs Weller, lebten auf dem Grundstück und führten das Hotel als ruhigen Rückzugsort für Touristen und Menschen aus der Stadt. Nina hatte hier jeden Sommer gearbeitet, seit sie dreizehn war. Es war keine glamouröse Arbeit, aber der Hotelbetrieb und die Gäste aus allen Himmelsrichtungen hatten sie fasziniert. Später, als junge Mutter, war sie vom Zimmermädchen zur Rezeptionistin, Buchhalterin und stellvertretenden Managerin aufgestiegen und hatte alle Seiten des Geschäfts kennengelernt. Sogar Klempnerprobleme und übellaunige Gäste hatten sie nicht entmutigen können. Nachdem Mr Weller gestorben war, hatte Mrs Weller weitergemacht, aber nicht mehr mit dem gleichen Esprit wie vor seinem Tod. Als auch sie starb, hinterließ sie das Inn – inklusive der restlichen Kreditraten – ihrem einzigen lebenden Verwandten, einem Neffen in Atlantic City. Er beauftragte eine Firma mit dem Management, die alle Leute
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