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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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Hebelwirkung der Skelettmuskulatur, Bestimmung des menschlichen Körperschwerpunkts usw.; vgl. Lektion 10 ) und die drei Axiome über die Gesetzmäßigkeiten der Dynamik fester Körper von Isaac N EWTON (1643-1727; vgl. Lektion 10 ).
    Die Ausdifferenzierung der Naturwissenschaften, der technologische Fortschritt und das zunehmende Interesse des Sports an wissenschaftlichen Kenntnissen über die Körperhaltung, Bewegung und Motorik des Menschen fördern zu Beginn des 20. Jahrhunderts die neuzeitliche, naturwissenschaftlich ausgerichtete Bewegungsforschung. Eine hohe Präferenz erlangen äußere biomechanische Messverfahren zur Analyse des zeitlich-räumlichen Verlaufs der Ortsveränderung des menschlichen Körpers (z. B. Fotografie, Bildreihen, Lichtspuraufnahmen; M UYBRDGE , 1887; B RAUNE & F ISCHER , 1904, 1987) und die auf das Körperinnere ausgerichteten elektrophysiologischen Untersuchungsmethoden (Elektromyografie: W ACHOLDER , 1928, vgl. Lektion 11 ; Elektroenzephalografie: B ERGER , 1938, 1991). Bereits in den Anfängen der wissenschaftlichen Bewegungsforschung erfahren die einseitig ausgerichteten physikalisch-mechanischen Vorstellungen über die motorische Kontrolle scharfe Kritik von Seiten erkenntnistheoretischer, den Ganzheitscharakter menschlicher Bewegungen betonender Erklärungsansätze (vgl. E HRENFELS , 1890; K ÖHLER , 1921).
    Einen bedeutsamen Einfluss auf die empirische Bewegungsforschung nimmt ab den 50er Jahren der kybernetische Erklärungsansatz des russischen Physiologen und Biomechanikers Nikolai B ERNSTEIN (1896-1966; 1988). Neu ist die konsequenteVerbindung des physiologischen, biomechanischen und psychologischen Wissens über die Bewegungskoordination. Motorische Verhaltensweisen entstehen nicht allein durch die physiologische Abfolge von Muskelaktionen, sondern durch einen ganzheitlich selbst organisierten Kontrollprozess.
    Die B ERNSTEIN -Perspektive beeinflusst in starkem Maße den Begründer der Wissenschaft und der Lehre sportmotorischer Fertigkeiten, Kurt M EINEL (1898-1973). In der deutschen Sportwissenschaft weit verbreitet sind seine morphologisch-pädagogischen Beurteilungen des motorischen Verhaltens (z. B. Bewegungsrhythmus, Bewegungskopplung, Bewegungspräzision, Bewegungskonstanz; vgl. Kap. 2), die chronologische Bewegungsstrukturierung (Zweiphasigkeit: zyklische Bewegungen; Dreiphasigkeit: azyklische Bewegungen; vgl. Kap. 2) und die dreiphasige Systematisierung sportmotorischer Lernprozesse (M EINEL , 1960; M EINEL & S CHNABEL , 1998; Grobkoordination, Feinkoordination, Stabilisierung der Feinkoordination).
    In den 70er Jahren gewinnen in der Bewegungsforschung die im angloamerikanischen Sprachraum formulierten Informationsverarbeitungsansätze (motor approaches) an Bedeutung. Nach ihren theorieübergreifenden Grundüberlegungen kontrollieren zentralnervös gespeicherte Gedächtnisinhalte die motorischen Willkürhandlungen. Besonders klare, empirisch überprüfbare Annahmen über die Mechanismen, die Funktionsprozesse und die Gesetzmäßigkeiten der Bewegungskontrolle beinhaltet die Theorie generalisierter motorischer Programme von S CHMIDT (1975, 1976, 1988; vgl. Lektion 6). In den letzten 20 Jahren diskutieren Motorikforscher vermehrt alternative Erklärungsansätze wie die ökologischen Handlungstheorien, den Konnektionismus oder die Modularitätshypothese ( vgl. Lektion 6 ).
1 Was ist von dieser Lektion zu erwarten?
    Das Hauptanliegen der Lektion 1 gilt der Kennzeichnung der sportbezogenen Bewegungswissenschaft. Was bedeutet Bewegung und Motorik? Inwieweit und vor allem wie kann die Motorik beeinflusst werden? Wie lassen sich motorische Handlungen systematisieren? Wie definiert die Bewegungswissenschaft das motorische Lernen? Welchen Gegenstandsfeldern, Problembereichen, Zielstellungen und Aufgaben wendet sich die Bewegungswissenschaft des Sports zu? Welche konzeptionellen Betrachtungsweisen favorisiert die sportwissenschaftliche Bewegungsforschung? Wie sollte ihre zukünftige Forschungsstrategie aussehen?
    Kapitel 2 geht zunächst auf die Bedeutung und die Reichweite zentraler Begriffe der Bewegungswissenschaft des Sports ein: Bewegungslehre, Bewegungswissenschaft,Bewegung, menschliche Bewegung, Motorik und Motorikmerkmale. Erläutert wird, was motorische Fertigkeiten und Fähigkeiten, offene und geschlossene Fertigkeiten, qualitative und quantitative Bewegungsmerkmale voneinander unterscheidet und welche allgemein anerkannten Strukturierungskonzepte sportmotorischer

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