Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)
Bach klangen aus meinen Boxen und stimmten mich ein auf das, was vor mir
lag.
Endlich
fuhr Lauras kleiner Franzose vor und parkte gekonnt in eine Lücke direkt vor
dem Haustor. Die Wagentür schwang auf und Laura winkte zu mir herauf. Ich
deutete ihr, dass ich hinunterkommen würde. Im Winter öffne ich die Fenster
nie. Erfroren sind schon viele, erstunken ist noch keiner, wie meine
Urgroßmutter immer zu sagen pflegte.
Ein
paar Sekunden später stand ich unten auf der Straße und stieg in Lauras Wagen
ein. Sie saß hinter dem Steuer, ein schwarzer Schal, ein schwarzes Jäckchen,
ein schwarzes Kleid und schwarze Strümpfe, soweit sie zu sehen waren. Die
Schuhe waren sicher auch schwarz, sehen konnte ich sie nicht, aber das machte
nichts.
»Steht
dir gut.«
»Danke.
Ich mag trotzdem nicht.«
»Warum
denn?«
»Ich
habe Korinek nicht gekannt, mit der Bagage, die sich dort versammelt, will ich
auch nichts zu tun haben, und in der Kälte ewig auf dem Friedhof herumstehen
ist gar nicht meins.«
»Komm’
schon, Laura. Tu’s für mich.«
»Ich
fahr’ dich hin, aber zwing mich bitte nicht dortzubleiben und das alles
mitzumachen. Das ist so überhaupt nicht meine Welt.«
»Kommt
mir alles bekannt vor, hatten wir doch schon mal.«
»Das
ist was ganz anderes gewesen. Duvenbecks Einladung war einmalig.«
»Genauso
wie das heute.«
»Die
Beerdigung von einem Kartenspieler? Was ist daran Besonders?«
»Wirst
schon sehen. Komm, fahr los.«
Laura
startete den Wagen. Ich steckte den iPod, den mir Laura zum Geburtstag
geschenkt hatte, in die Buchse und drückte auf Play. Ein langgezogener
G-Moll-Akkord erklang, aus dem sich die klare Stimme der Violine in einen
ebenso langgezogenen Trauerton erhob. Laura ächzte.
»Was
ist denn das für eine Katzenmusik? Du weißt, ich kann mit dem neumodischen
Klumpert nix anfangen.«
»Das
ist weder Katzenmusik noch neumodisch. Das sind Bachs Sonaten und Partiten für
Violine solo. Sein Morimur.«
»Pfuhh.
Harter Stoff, klingt unheimlich falsch.«
»Weil
du nicht richtig hinhörst.«
»Was
hat das damit zu tun?«
»Wenn
du richtig hörst, auf das, was nicht gespielt wird, dann …«
»Verschon’
mich, Arno, bitte was anderes.«
»Auf
keinen Fall. Das ist die Musik, die Bach geschrieben hat, als er nach Hause kam
und seine Frau gestorben war. Bis wir am Zentralfriedhof ankommen, hören wir
nichts anderes.«
Laura
sagte etwas, das ich beim besten Willen hier nicht wiedergeben kann. Aus
Achtung vor Laura, aus Achtung vor dem Leser, vor allem aber aus Achtung vor
Johann Sebastian.
Vor einem offenen Grab hatten
sich etwa 50 Leute eingefunden. Alle trugen Schwarz. Niemand sprach ein Wort.
Die Friedhofsangestellten ließen einen Sarg ins Erdreich hinab und begannen zu
schaufeln. Die braune Erde dampfte in der kalten Luft. Schwarze Bäume reckten
ihre dünnen Finger in einen sonnenlosen, kaltgrauen Himmel. Eine kurvige Frau
in einem viel zu engen schwarzen Kleid schnupfte in ein seidenes Taschentuch,
während die Erde dumpf auf den Sarg fiel. Eine russische Saatkrähe flog
krächzend von einem Baum auf, und aus der Menge der schwarzgekleideten Menschen
trat eine hochgewachsene, weißhaarige Gestalt vor.
»Straight,
wenn du mit dem Alten oben pokerst, zieh ihm net des letzte Hemd aus.«
Damit
warf er ein Paket Karten in die Grube und bekreuzigte sich. Niemand sonst
sprach ein Wort. Das einzige Geräusch rührte vom Erdreich her, das auf einen Sarg
fiel. Nach und nach verschwanden die schwarzgekleideten Menschen zwischen den
kahlen Bäumen. Korinek hatte seine letzte Ruhestätte gefunden.
Stunden später, in einem
kleinen Beisl an der Triester Straße, vor dem ein einsamer Baum steht, saßen
ein paar Leute an einem Tisch. Eine Jukebox spielte Elvis.
»Maybe I didn’t treat you quite as good as I should have. Maybe I didn’t love
you quite as often as I should have«, sang der King. Laura
und ich tanzten, Wange an Wange.
»Meinst
du, die Polizei schnappt Ftacek irgendwann?«
»Ach
wo, solange niemand Goldzungs Leiche finden kann, gibt es auch keine Beweise,
dass es Ftacek war, der ihn ermordet hat. Deswegen gibt es auch keine Fahndung.
Und selbst wenn es eine gäbe, der steckt doch sicher irgendwo auf einer kleinen
Kakaofarm am Ende der Welt. Er und sein geliebtes Buch. Wenn er es nicht für
ein Heidengeld irgendwem verkauft hat. «
»Little things I should have said and done, I just never took the
time. You are always on my mind«, sang der King und wir tanzten
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