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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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gewesen, hatte nie Selbstmord gewittert und es nie geglaubt, wenn verstörte Gäste die Stille des Todes hinter verschlossenen Zimmertüren von der Stille des Schlafs zu unterscheiden gewußt hatten; der tat korrupt und gerieben und glaubte doch an die Menschen.
    »Na, meinetwegen«, sagte der Portier, »ich geh zum Frühstück. Daß du nur niemand zu ihm raufläßt, da legt er Wert drauf. Hier.« Er legte Jochen die rote Karte auf die Theke: ›Zu sprechen nur für meine Mutter, meinen Vater, meine Tochter, meinen Sohn und Herrn Schrella - für niemanden sonst.‹
    Schrella? dachte Jochen erschrocken, lebt der denn noch? Den haben sie doch damals umgebracht - oder hatte er einen Sohn?
    Dieses Aroma schlug alles tot, was in der Halle in den letzten vierzehn Tagen geraucht worden war, dieses Aroma trug man vor sich her wie eine Standarte: hier komm ich, der Bedeutende, der Sieger, dem keiner widersteht; einsneunundachtzig, grauhaarig, Mitte vierzig, Anzugstoff: Regierungsqualität; so waren Kaufleute, Industrielle, Künstler nicht gekleidet, das war beamtete Eleganz, Jochen roch es; das war Minister, Gesandter, unterschriftsträchtig mit fast gesetzlicher Kraft; das drang ungehindert durch gepolsterte, stählerne, blecherne Vorzimmertüren, räumte mit seinen Schneepflugschultern alle Hindernisse weg, strahlte liebenswürdige Höflichkeit aus, der man doch anmerkte, daß sie angelernt war, ließ der Oma den Vortritt, die eben ihren ekligen Köter wieder aus Erichs, des zweiten Boys, Hand entgegennahm, half sogar dem grabentstiegenen Skelett, das Treppengeländer erreichen und
    »Nettlinger.«
    »Womit kann ich dienen, Herr Doktor?«
    »Ich muß Herrn Dr. Fähmel sprechen. Dringend. Sofort. Dienstlich.«
    Kopfschütteln, sanfte Verneinung, während er mit der roten Karte spielte. Mutter, Vater, Sohn, Tochter, Schrella. Nettlinger nicht erwünscht.
    »Aber ich weiß, daß er hier ist.«
    Nettlinger? Hab ich den Namen nicht schon mal gehört? Das ist so ein Gesicht, bei dem mir was einfallen müßte, was ich nicht vergessen wollte. Ich habe den Namen schon gehört, vor vielen Jahren, und mir damals gesagt: den mußt du dir merken, vergiß ihn nicht, aber nun weiß ich nicht mehr, was ich mir merken wollte. Auf jeden Fall: Vorsicht. Dir würde speiübel, wenn du wüßtest, was der alles schon gemacht hat, du würdest bis an dein seliges Ende nicht aufhören können zu kotzen, wenn du den Film ansehen müßtest, den der am Tag des Gerichts vorgespielt bekommt: den Film seines Lebens; das ist so einer, der Leichen die Goldzähne ausbrechen, Kindern das Haar abschneiden läßt. Unheil oder Laster? Nein, Mord lag in der Luft.
    Und diese Leute wußten nie, wann ein Trinkgeld angebracht war; nur daran konnte man Klasse erkennen; jetzt wäre der Augenblick vielleicht für eine Zigarre gewesen, aber nicht für Trinkgeld, und keinesfalls für ein so hohes: den grünen Zwanziger, den er grinsend über die Theke schob. Wie dumm die Leute sind. Kennen nicht die primitivsten Gesetze der Menschenbehandlung, nicht die einfachsten Gesetze der Portierbehandlung; als wenn im Prinz Heinrich ein Geheimnis überhaupt zu verkaufen wäre; als wenn ein Gast, der vierzig oder sechzig fürs Zimmer zahlt, um einen grünen Zwanziger zu haben wäre; zwanzig von einem Unbekannten, dessen einziger Ausweis seine Zigarre und sein Anzugstoff ist. Und so was
    wurde dann Minister, vielleicht Diplomat und kannte nicht einmal das kleine Einmaleins der schwierigsten aller Künste, der Bestechung. Betrübt schüttelte Jochen den Kopf, ließ den grünen Schein unberührt. Voll ist ihre Rechte von Geschenken.
    Kaum zu glauben: dem grünen Schein wurde ein blauer hinzugelegt, das Angebot auf dreißig erhöht, eine dicke Wolke Partagas-Eminentes-Duft in Jochens Gesicht gepustet.
    Blas du nur, puste mir nur deinen Viermarkzigarrenrauch ins Gesicht, und leg noch 'nen violetten Schein hinzu. Jochen ist nicht zu kaufen. Nicht für dich und nicht für dreitausend; ich hab nicht viele Menschen in meinem Leben gemocht, aber den Jungen hab ich gern. Pech gehabt, Freund mit dem gewichtigen Gesicht, mit der unterschriftsträchtigen Hand, eineinhalb Minuten zu spät gekommen. Du müßtest doch rieche n, daß Geldscheine hier das am wenigsten Angebrachte sind, bei mir. Ich hab sogar einen Vertrag in der Tasche, notariell bestätigt, daß ich auf Lebenszeit mein Kämmerchen da oben unterm Dach bewohnen, meine Tauben halten darf; ich kann mir zum Frühstück, zum Mittagessen

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