Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
zu werden.
»Das … dürft … ihr … nicht«, presste sie stockend hervor.
Hätte Oskar nicht genau in diesem Moment seine warme Hand um ihre geschlossen, sie wäre wahrscheinlich einfach hinten übergekippt.
»Natürlich dürfen wir das«, erwiderte Barbara von Dommel kopfschüttelnd. »Wir sind schließlich deine Erziehungsberechtigten.«
»Ach ja?« Vor Wut konnte Mathilda kaum noch richtig atmen. »Und wie kommt es dann, dass andere Erziehungsberechtigte
mit
ihren Kindern Urlaub machen anstatt
ohne
sie?«, brach es aus ihr heraus.
»Nun ….«, sagte Barbara von Dommel gedehnt und sah ihren Mann unschlüssig an. »Diesbezüglich müsste man sich vielleicht noch mal rückversichern.«
»Das ist nicht nötig«, blaffte Mathilda. »Das kann ich euch auch so sagen. Als Erziehungberechtigter hat man schließlich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.«
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen«, murmelte sie. »Wir sind schließlich erwachsen.« Sie holte einmal tief Luft und fuhr dann wieder etwas lauter und an Mathilda gewandt fort: »Natürlich ist es selbstverständlich, dass du etwas zu essen bekommst, dass du unterrichtet wirst und auch sonst alles hast, was du brauchst. Aber darüber hinaus haben Erziehungsberechtigte vor allem Freiheiten. Wir können schließlich nicht alles für unsere Kinder aufgeben. Wir brauchen Atempausen, Erholungsphasen …«
»Und Gurkenmasken«, sagte Mathilda leise.
Barbara von Dommel hörte es trotzdem, vielleicht, weil sie sich in Kosmetikfragen besonders gut auskannte und daher einfach ein Ohr für solche Dinge hatte.
»Also, ich würde niemals eine solche Schweinerei anrichten«, erwiderte sie und sah ihre Tochter streng an. »Du weißt genau, dass ich ausschließlich die hochwertigen Produkte von Schlammyral de Marsej verwende.«
»Nee, das weiß ich eben nicht«, kreischte Mathilda nun so laut, dass Oskar einen Satz zur Seite machte. »Weil du mirnämlich nie etwas über dich erzählst. Und überhaupt! Ihr verbringt nie Zeit mit mir.«
Im ersten Moment war Mathilda wahnsinnig erschrocken über ihre Worte, aber dann, nachdem es nun endlich heraus war, fing sie an, sich richtig in Rage zu reden. »Es interessiert euch doch gar nicht, wie es mir geht und wer meine Freunde sind. Ihr wisst ja nicht mal, ob ich lieber Röcke oder Hosen trage …«
»Also, das steht im Moment nun wirklich nicht zur Debatte«, unterbrach Frau von Dommel ihre Tochter empört, doch Mathilda wollte sich jetzt nicht unterkriegen lassen.
»Dir ist es ja sogar vollkommen egal, ob ich mir abends die Zähne putze oder nicht«, schrie sie ihre Mutter an.
»Das sind schwere Vorwürfe, die du da erhebst«, meldete sich Ronald von Dommel zu Wort. Genau wie Oskar hatte er die Auseinandersetzung bisher schweigend verfolgt, aber nun war ihm offenbar die Hutschnur gerissen. »Deine Mutter ist nun wirklich immer für dich da.«
»Okay, sie ist immer zu Hause«, sagte Mathilda. »Und sie achtet auch darauf, dass ich nicht ungewaschen aus dem Haus gehe oder mich nach neunzehn Uhr noch auf der Straße herumtreibe. Aber für mich da ist sie deshalb noch lange nicht.«
»In den Ferien bis einundzwanzig Uhr«, betonte Barbara von Dommel.
»Ja, ja, ja!«, brüllte Mathilda.
Und dann fing sie an zu heulen. Die Tränen schossen ihr aus den Augen, liefen in Sturzbächen ihre Wangen hinunter und tropften auf ihr T-Shirt. Mathilda bebte am ganzen Körper und außer abgehacktem Geschluchze brachte sie keinen einzigen Ton mehr heraus.
Ihre Eltern sahen sich peinlich berührt an.
»Ist ja gut«, flüsterte Oskar. Sein Herz raste und jeder Zentimeter seines Körpers, von den Zehennägeln bis zu den Haarwurzeln hinauf, tat ihm weh.
Er machte wieder einen Schritt auf Mathilda zu und legte ihr schüchtern seine Hand auf die Hüfte.
Mathilda schluchzte noch einmal heftig auf und ließ sich dann in Oskars Arme fallen. Sie barg ihr Gesicht in seiner Halsgrube und drückte sich an ihn, und Oskar drückte zaghaft zurück. Er fühlte sich beinahe genauso elend wie damals, an diesem schrecklichen Tag, an dem sein Vater nicht heimgekehrt war.
»Mach dir keine Gedanken, das ist jetzt dieses Alter«, sagte Ronald von Dommel.
»Aber sie macht den armen Jungen ja ganz nass«, entgegnete seine Frau. »Ich bin wirklich froh, dass das hier im Haus und nicht vor aller Leute Augen passiert.«
Mathilda presste die Lippen aufeinander. Ihre Tränen versiegten auf einen Schlag.
Sie löste sich von
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