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Bis dein Zorn sich legt

Bis dein Zorn sich legt

Titel: Bis dein Zorn sich legt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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eine Seite weiter.
    Auf einem Bild hatten Axel Viebke und Karl-Åke Pantzare eine schöne Frau in einem geblümten Kleid in die Mitte genommen. Sie war sehr jung. Die Haare hingen in einer sorgfältig gelegten Welle über ihr eines Auge.
    »Und da seid ihr wieder«, sagte Rebecka. »Wer ist das Mädchen?«
    »Ach, irgend so eine Biene«, sagte Karl-Åke Pantzare, ohne sich das Bild anzusehen. »Er hatte eine Schwäche für Mädels, unser Axel. Die kamen und gingen.«
    Rebecka blätterte zu dem Foto von Axel an der Kiefer zurück, die Seite war oft aufgeschlagen worden. Der Rand war abgegriffen und dunkler als die anderen Seiten im Album. Der Schatten des Fotografen fiel in die Aufnahme.
    Ein Charmeur, dachte sie. Stellt sich regelrecht in Positur. Lässig zurückgelehnt an die Kiefer, Pfeife in der Hand.
    »Haben Sie das fotografiert?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte Karl-Åke Pantzare mit schwacher Stimme.
    Sie schaute sich um Zimmer um. Karl-Åke Pantzare hatte keine Fotos von irgendwelchen Kindern. Es gab kein Hochzeitsbild unter den Aufnahmen im Bücherregal.
    Du hast ihn mehr als nur gemocht, dachte sie und sah Karl-Åke Pantzare an
    »Es hätte ihm gefallen, dass Sie mit uns sprechen«, sagte sie. »Dass Sie noch immer mutig sind.«
    Karl-Åke Pantzare nickte, und seine Augen wurden blank.
    »Ich weiß nicht so viel«, sagte er. »Über den Fahrer, meine ich. Die Engländer sagten, dass ein Fahrer die Deutschen informierte und dass wir vorsichtig sein sollten. Sie hatten ja besondere Angst um ihre Informationsbasen. Sie nannten ihn den ›Fuchs‹. Und Isak Krekula stand ja auf gutem Fuß mit den Deutschen, er fuhr doch viele Transporte für sie, und bei dem war sicher immer nur das Geld ausschlaggebend.«

»JETZT REISS DICH aber zusammen«, sagte Tore Krekula.
    Er stand in Hjalmars Schlafzimmer und sah Hjalmar an, der mit der Decke über dem Gesicht im Bett lag.
    »Ich weiß, dass du wach bist. Du bist doch nicht krank. Also hör jetzt auf.«
    Er zog die Jalousien mit solcher Kraft hoch, dass es sich anhörte, als ob die Schnüre abrissen. Er wollte, dass sie abrissen. Draußen wirbelte der Schnee.
    Als Hjalmar nicht zur Arbeit erschienen war, hatte er den Reserveschlüssel genommen und war zu ihm nach Hause gegangen. Nicht, dass das nötig gewesen wäre. Niemand im Ort schloss nachts die Tür ab.
    Hjalmar gab keine Antwort. Lag unter der Decke wie ein Toter. Tore hätte sie ihm gern weggerissen. Aber irgendetwas hielt ihn zurück. Er wagte es nicht. Die Person, die da unter der Decke lag, war unberechenbar. Unter der Decke schien eine Stimme zu sagen: Gib mir einen Grund, gib mir einen Grund.
    Nicht wie der alte Hjalmar, der einfach alles mit sich machen ließ.
    Tore fühlte sich ohnmächtig. Er wusste nicht, was er tun sollte, wenn ihm jemand nicht gehorchte. Daran war er nicht gewöhnt. Zuerst diese miese Kuh von der Polizei. Und jetzt Hjalmar.
    Und womit sollte er drohen? Er hatte doch immer mit Hjalmar gedroht.
    Ungeduldig drehte er eine Runde durch das Haus. Stapelweise schmutziges Geschirr. Leere Chipstüten und Kuchenschachteln. In der Küche stank es nach fauligem Abfall. Große, leere PET-Flaschen. Kleidungsstücke auf dem Boden. Unterhosen, das Gelbe vorn, das Braune hinten.
    Er ging ins Schlafzimmer zurück. Noch immer regte sich nichts unter der Decke.
    »Verdammt«, sagte er. »Verdammt, wie das hier aussieht. Was für ein Schweinestall. Und du. Du widerst mich an. Wie ein gestrandeter verfaulter Scheißwal. Zum Kotzen!«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Zimmer.
    Hjalmar hörte, wie die Tür mit einem Knall zufiel.
    Ich kann nicht mehr, dachte er. Es gibt keinen Ausweg.
    Neben seinem Bett lag eine offene Tüte mit Erdnussflips. Er nahm sich einige Handvoll.
    Eine Stimme im Kopf. Magister Fernströms »Du entscheidest selbst, was du willst«.
    Nein, Fernström hatte nie begriffen.
    Er wollte nicht daran denken. Aber was half es schon, was er wollte? Die Gedanken strömten in ihn hinein wie durch eine offene Bugklappe.
    Hjalmar ist dreizehn Jahre alt. Im Radio kann man hören, wie Kennedy vor der Präsidentschaftswahl mit Nixon diskutiert. Kennedy ist ein Playboy, niemand glaubt, dass er gewinnen kann. Aber Hjalmar interessiert sich wirklich nicht für Politik. Jetzt stützt er die Ellbogen auf sein lackiertes Schulpult. Sein Kopf ruht auf den Händen, die Handflächen an den Wangenknochen. Nur er und Magister Fernström sind anwesend. Wenn alle anderen Kinder nach Hause

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