Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Hotelzimmer auseinandernimmt.
Schickt die Rechnung an Sony oder Warner und baut neue, geile Songs. Der alte Mann und die Snare, wir beide machen euch den Rhythmus.
Es gibt eine kleine, wunderschöne Insel direkt vor der Küste Thailands, deren Namen ich nicht preisgeben will.
Auf dieser Insel geht das Leben so langsam vor sich, daß jeder mitkommt und einem einigermaßen entspannt entgegentritt. Man freut sich über jede Welle, die vom Ozean ans Ufer schlägt, jeden neuen Tag und jeden Besucher. Und am meisten scheint man sich über vierjährige, blonde Jungs zu freuen, wie es Alex einer war in diesen drei Monaten Anfang '94, als er mit seiner Mutter dort war.
Ich hatte mir sechs Wochen genommen, um die beiden zu besuchen und selbst mal runterzukommen. Ein ganzes Jahr auf Wolke Sieben mit den Hosen war eine tolle, aber zehrende Erfahrung. Zwei Alben in die Charts gebracht, jede Menge Club- und Magical-Mystery-Gigs gespielt sowie sechs Stadienauftritte mit U2, zum Abschluß drei ausverkaufte Weihnachtsvorstellungen in Düsseldorf - ich brauchte eine Pause, um das alles zu verdauen. Wir alle brauchten sie. Es ist nicht so, daß du nur übers Land fliegen kannst und dabei eimerweise Nektar abschleppst; du gibst auch reichlich ab und läßt entsprechend Substanz.
Alex war der King of Pommes in Thailand. Wo immer er auftauchte, sausten Leute auf ihn zu und wuschelten in seinen Haaren; es wurde soviel, daß er manchmal zurück ins Hotel flüchtete, statt an den Strand oder sonstwohin zu gehen. Das konnten wir nachvollziehen. Kaum zurück in
Düsseldorf, konnte ich für unseren alljährlichen Bandurlaub im März erneut den Koffer packen. Diesmal ging es nach Zermatt, wo wir einen Magical-Mystery-Gig spielten und als »Gage« eine Woche in einem guten Hotel verbrachten, das den Eltern des ausrichtenden Hosen-Fans gehörte.
Zwei Wochen lang nur klare Luft, hoher Schnee, schnelle Pisten und abends gutes Futter im Hotel. Und keine Leute, die einem in den Haaren wuscheln.
Gar keine? Einmal zumindest ergab es sich, daß wir in einer nahegelegenen Berghütte auf eine offizielle Delegation mit sperrigem Gepäck stießen. Es handelte sich um den Chef des Schweizer Virgin-Büros, seinen Vertriebsleiter und ihr Gefolge, die uns für mehr als 25.000 verkaufte Einheiten von »Kauf mich!« und »Reich & Sexy« (es ist eben ein kleines Land!) goldene Schallplatten überreichten. Die Schweizer hatten sich wirklich Mühe gegeben mit der kleinen Ehrung, aber niemand von uns kriegte dabei eine Gänsehaut. Du stehst da mit dieser eingerahmten, für dreißig Mark goldüberzogenen Vinyl-Schei-be und weißt später nicht recht, wohin damit.
Ich stelle meine goldenen Schallplatten gewöhnlich so unauffällig ab, daß ich sie bis zum nächsten Umzug vergessen habe. Andi hat seine in ein paar Kisten mit Gerümpel gelagert, Campi bringt seine Exemplare zu seinen Eltern.
Einmal versenkten Breiti und Kuddel ihre Gold-Auszeichnungen während einer Bootstour auf dem Chiemsee; es war ein echtes See-Begräbnis. Das Schlimmste an den Auszeichnungen aber sind meistens nicht die Trophäen, sondern die Prozeduren, die der Übergabe vorausgehen.
Wir liefen im gleichen Monat in der Alten Oper in Frankfurt/ Main ein, um die »Echo-Preise« in den Sparten »Erfolgreichste nationale Gruppe« und »Erfolgreichste Kampagne des Jahres« (mit »Kauf mich!«) entgegenzunehmen. Das war so fade, daß
Auf Magical Mystery Tour in Zermatt, v.l.n.r: Andi, Campino, Breiti, Matterhorn
man selbst erfinderisch werden mußte. Kuddel fand heraus, daß man die Echo-Pokale umgedreht am Tisch befestigen konnte und auf diese Weise einen prima Aschenbecher besaß. Das wurde allgemein mißbilligend beobachtet, aber wir sollten uns noch steigern. Als Moderator Fritz Egner lahm und umschwei-fig die besondere Ehrung für ein künstlerisches »Lebenswerk« einbimmelte, erhob sich Campi vorzeitig, stieg auf den Tisch und bedankte sich. Der Saal tobte, die Szene mußte fur’s Fernsehen geschnitten werden, und Egner setzte wieder an - um noch einmal von Campi unterbrochen zu werden. Campi wußte, daß Udojürgens gemeint war, die entstandene Irritation und die düpierten Gesichter genoß er mehr als den Echo-Preis.
Die eindrucksvollste Auszeichnung jedoch folgte, als wir im April zur ausverkauften Deutschland-Tournee ansetzten. Abgesehen von unseren Magical-Mystery- und Clubgigs sowie den Festivals, war es die erste Tour nach zweiJahren. Aber es schien so, als könnten wir
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