Bittersueße Sehnsucht
hatte. Auch Anna und Herr Hendriks tranken schon den nächsten Kurzen.
Ach was soll’s!,
verärgert über die Situation trank ich einfach für mich allein, um mich bei Laune zu halten. Anna würde das Gequatsche von Hendriks schon irgendwann zu langweilig werden und dann konnten wir uns endlich auf den Weg in die Disko machen.
„…könnten wir ja auch noch einen Abstecher zu mir machen.“, schwirrte mir ein Gesprächsfetzen plötzlich ans Ohr. Ich sah, wie Anna sich lasziv zu Herrn Hendriks rüber beugte und mit den Wimpern klimperte. Hendriks schien kurz zu überlegen, lehnte sich dann zurück, und grinste mich über Anna hinweg an. „Aber nur, wenn Mila auch mitkommt.“ Langsam verriet der lallende Unterton seiner Stimme, wie viel er schon getrunken hatte. Auch ich war schon etwas mehr als angetrunken, trotzdem reagierte ich absolut skeptisch. „Ich weiß nicht…halte das für keine so gute Idee“ nuschelte ich, weil ich hoffte, dass niemand diese Unterhaltung mitbekam. Aber außer der Barfrau und einer kleinen Gruppe von vier Personen, die sich am anderen Ende des Raumes gerade voneinander verabschiedeten, waren nur noch wir übrig. Ich warf Anna einen eindeutigen Blick zu.
Hör auf, mit dem Feuer zu spielen!
, sollte er bedeuten. Doch von ihr erntete ich nur ein entnervtes Augenrollen als Antwort. Sie warf den Kopf in den Nacken und tat kurz so, als würde sie schmollen. „Na gut Torben…dann nehmen wir Mila eben mit.“, lautete ihre kurze, forsche Antwort.
Torben – na super, jetzt duzte sie ihn schon. Das konnte ja was werden! Um meine Freundin vor einem großen Fehler zu bewahren, beschloss ich, als Anstandswauwau mitzukommen. Auch wenn mir gar nicht wohl dabei war.
Torben Hendriks zeigte sich von seiner spendablen Seite und bestellte ein Taxi. Anna und ich holten unsere Mäntel und warteten an der Garderobe auf ihn. „Also los…Ladies“, grinste er schief und versuchte sich bei uns einzuhaken. Ich zog schnell meinen Arm beiseite und hängte mir demonstrativ meine große Handtasche über die Schulter. Die war so ausladend, dass unser Chef nicht mehr an mich herankam. Anna ließ sich natürlich nur zu gern von ihm nach draußen führen. Das Taxi stand schon da und wir stiegen ein. Ich vorne, Anna und Herr Hendriks hinten. „Agnesstraße 3, bitte“, flötete Anna von der Rückbank. Dann war es plötzlich still, nur ab und zu war Annas Kichern zu vernehmen. Der Taxifahrer sparte sich seinen Kommentar, grinste nur in sich hinein und fuhr los. In irrem Tempo ging es nach Schwabing-West. Die Straßen waren wie leergefegt und wir kamen schnell voran. Zehn Minuten später kletterten wir aus dem Taxi und unser Chef drückte dem Taxifahrer mit einem Nicken einen Geldschein in die Hand. Anna winkte mit ihrem Haustürschlüssel. „Nun kommt schon, ich friere!“, rief sie ungeduldig. Sie sperrte auf und wir stiegen im Gänsemarsch die Stufen zu ihrer Wohnung im 1. Stock hoch.
Ich war schon öfter in Annas Zwei-Zimmer-Apartment gewesen, das, typisch für München, ein halbes Vermögen an Miete kostete. Es war ein Altbau, mit hohen Decken und weißen Flügeltüren aus Holz. Die Einrichtung wirkte edel, modern und aufgeräumt. Weiß und grau waren die dominierenden Farben. So auch die Zweisitzer Couch und dem dazugehörigen Sessel, in den ich mich müde sinken ließ. Langsam zeigte der Alkohol seine volle Wirkung und die Wärme tat ihr übriges dazu. Ich wurde schläfrig und gähnte die ganze Zeit. Deshalb verneinte ich dankend, als Anna mit drei Gläsern und einer Flasche Rotwein aus der angrenzenden, kleinen Küche kam.
Unser Chef ließ sich jedoch gerne zu einem Glas überreden. Anna setzte sich zu ihm auf die Couch und redete ohne Unterlass. Ich starrte durch das Erkerfenster hinaus in die Nacht. Nach wie vor rieselte lautlos der Schnee auf die Erde. Die schwebenden Schneeflocken hatten etwas Hypnotisches und irgendwann klangen die beiden gedämpften Stimmen neben mir, als wären sie kilometerweit weg. Matt fielen mir die Augen zu.
Ich riss erschreckt meine Lider auf, als ich ein Geräusch hörte. Verwirrt sah ich mich um. Mir war ein bisschen schwindelig und ich brauchte einen Moment, bis ich die Situation erfasst hatte. Ich lümmelte immer noch in Annas Sessel, draußen war es nach wie vor dunkel, aber von Anna und Herrn Hendriks, fehlte jede Spur. Anscheinend war ich einfach eingeschlafen. Steif streckte ich den Rücken durch und beschloss, mich auf die Couch zu legen und dort weiter
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