Black Monday
Präsidenten. Im selben Zimmer. Wenn ich diese Story bringe, bin ich wieder ganz oben. Hintergrundinformationen aus erster Hand. Komm schon, erzähl's mir.«
»Es gibt nichts zu erzählen«, erwidert Gerard, während er sich an jenen schrecklichen Morgen erinnert, an die Situation in der exakten Nachbildung des Oval Office fünfzig Meter unter einem Berg in Virginia. Der Raum mit denselben Maßen wie im Weißen Haus, der gleiche Teppichboden, identische Regale und Plüschsessel, und das Präsidentensiegel, eingewebt in dunkelblauen Samt. Aber anstelle von Fenstern mit Blick auf einen Rosengarten waren Fernsehbildschirme in die Wände eingelassen. Gerard fürchtet, dass ihn das, was er gemeinsam mit dem Präsidenten, dessen Beratern und dem Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs auf den Bildschirmen gesehen hat, bis ans Ende seines Lebens verfolgen wird.
Teheran und Oakland in Flammen. Soldaten in Buenos Aires, die Menschenfleisch braten. Aufstände in Hongkong. Cholera-Epidemien in Australien. Geplünderte Militärdepots in Wyoming und Schanghai. Verhungerte Astronauten, die in einer Raumstation schweben. Zahllose Büßer und Selbstgeißler auf dem Petersplatz, an der Klagemauer, vor der Blauen Moschee. Von Städtern verwüstete Farmen. Menschen auf den Piers von San Francisco und Tokio, die sich um einen Platz prügeln, von dem aus sie angeln können. Menschen, die Sprengladungen in Hafenbecken werfen und dann hineinspringen, um die toten Fische einzusammeln.
Brennende Ölfelder, angezündet von aufgebrachten Massen.
Gerard hatte einen Platz in der ersten Reihe mit Blick auf die letzten Zuckungen einer Welt, der das Öl ausgegangen ist.
»Schnappen Sie sich Lord Fitz-Barr und regeln Sie die Sache mit den Briten hinterher«, hatte er dem Präsidenten auf dessen Frage hin geraten.
Jetzt verzieht Les das Gesicht vor Schmerzen wegen seiner Wunde und sagt: »Wenn du mir schon nicht die Wahrheit über Virginia erzählen willst, dann erklär mir wenigstens, wie Delta-4 funktioniert.«
»Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis wir das genau wissen«, antwortet Gerard wahrheitsgemäß, als der letzte Lastwagen vorbeifährt. »Bisher wissen wir nur, dass es Delta-3 vernichtet. Und anschließend wird Delta-4 durch den Raffinierungsprozess vernichtet. Man führt es in verseuchte Ölfelder ein und es entfernt die Verseuchung. Man führt es in infizierte Pipelines ein, spült sie durch, dann kann man sie wieder benutzen.«
Die Menge beginnt sich aufzulösen. Gerard, Les und die Kinder bleiben noch einen Moment stehen und betrachten das Gebäude Connecticut Avenue 5110, das Dubbs' Gefolgsleute nach dem gescheiterten Angriff auf die Marion Street fluchtartig verlassen haben und das von Gerard und seinen Nachbarn geplündert wurde. Die meisten von Dubbs' gehorteten Vorräte befanden sich noch dort.
Wir haben die Hälfte an die St.-Paul's-Kirche gespendet und ein Viertel an die Nachbarn in der lngomar Street und in der Jennifer Street abgegeben. Nur ein Viertel – genug für drei Monate – haben wir für uns behalten.
»Kommt, lasst uns bei Raines vorbeischauen und sehen, wie es ihm in Gails Haus gefällt«, schlägt Gerard vor. »Sie hatte keine Angehörigen. Es wird mindestens noch einen Monat dauern, bis das Erbschaftsgericht entscheidet, was mit dem Haus geschehen soll. Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, es für Raines zu sichern.«
Ein Streifenwagen, einer der ersten, die wieder unterwegs sind, fährt an ihnen vorbei, und Officer Danyla winkt ihnen zu.
In der Marion Street angekommen, stellen sie fest, dass Raines und seine Familie zusammen mit anderen Nachbarn in Gerards Haus zu einem vorweihnachtlichen Abendessen zusammengekommen sind. Im ganzen Haus duftet es nach Braten, Gewürzen und Apfelkuchen. Bob Cantoni trägt eine Schürze. Marisa ist gerade dabei, auf lange Tische, die im Ess- und Wohnzimmer aufgestellt wurden, Weinflaschen und Orangensaftkartons zu verteilen, während Lisa Higuera den Tisch deckt. Richterin Holmes sitzt in einer Ecke und starrt aus dem Fenster. Seit der Nacht des Überfalls ist sie verschlossen und depressiv. Sie hat es abgelehnt, bei den Prozessen gegen Plünderer mitzuwirken.
»Ich werde meinen Beruf aufgeben, Greg. Ich tauge nicht zur Richterin«, sagt sie. »Und ich werde mich bei der Polizei stellen für das, was ich mit diesen Männern gemacht habe. Sie hatten ein Recht auf ein ordentliches Verfahren.«
»Du wirst dich nicht der Polizei stellen, Eleanor.«
Sie
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