Blankes Entsetzen
kriminaltechnischen Labors, die sowohl die Computer bei Novak Investigations als auch den von Clares Patienten Nick Parry untersuchten. Parry hatte, wie sich jetzt herausstellte, um der Herausforderung willen seiner Pflegerin geholfen, sich in die verschiedensten Computersysteme einzuhacken, und wie die Dinge lagen, schien es wahrscheinlicher, dass Parry sich wegen Verletzung des Datenschutzgesetzes verantworten musste, als dass Clare wegen Mordes vor Gericht gestellt würde.
Clare war geisteskrank, da war Keenan sich ziemlich sicher, auch wenn die beängstigend kaltblütige Planung ihrer Verbrechen und ihre schiere Effizienz gegen eine Unzurechnungsfähigkeit sprechen mochten. Clare hatte ihren Mann Mike, die Detektei und ihren Klienten Robin Allbeury (von dem sie in einer Passwort-geschützten Datei geschrieben hatte, er nutze die Frauen aus und sei wahrscheinlich pervers) gnadenlos für ihre Zwecke benutzt. Sie hatte ihre eigenen Fähigkeiten – plus Nick Parrys Einsamkeit und seine Leidenschaft für Computer – dazu missbraucht, in Krankenhaus-Dateien einzudringen. Als das nicht mehr ausreichte, hatte sie Maureen Donnelly ausgehorcht oder die Notaufnahmen von Krankenhäusern besucht, wo man sie kannte und ihr vertraute, um Informationen über die Fälle zusammenzutragen, die sie interessierten.
»Nicht Fall, sondern Fälle«, bemerkte Constable Karen Dean bei einer Sitzung.
»Es könnte also noch mehr Opfer gegeben haben«, sagte Terry Reed.
»Mit Sicherheit hat sie Interesse an weitaus mehr Frauen gezeigt als nur an Patston und Bolsover«, bestätigte Keenan.
Seit ihrem Zusammenbruch, so schien es, war Clares PC zu ihrem einzigen Vertrauten geworden. In ihm hatte sie detaillierte, regelmäßig aktualisierte Berichte über ihre potenziellen Opfer geführt, ihre Fälle (einschließlich Lizzie Wade), alle fein säuberlich mit Referenznummern versehen, die zum Teil Geburtsdaten zu sein schienen. All diesen Frauen, hatte Clare geschrieben, habe es an »moralischem Mut« gemangelt. Diese Frauen hätten Ungeheuer geheiratet, doch die eigentlichen Schuldigen, behauptete Clare, waren sie selbst, weil sie aus Furcht vor den Folgen einer Trennung bei diesen Männern geblieben waren und damit nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Kinder in Gefahr gebracht hatten.
»In Lynne Bolsovers Fall«, sagte Keenan nun, »hatte ihr Mann sie außerdem zu einer Abtreibung gedrängt.«
»Vielleicht glaubte Clare, den Kindern eine Chance zu geben, indem sie deren schwache Mütter aus dem Weg schaffte und die Männer ins Gefängnis brachte«, sagte Dean und streifte damit das mögliche Motiv, das Helen Shipley früher Allbeury unterstellt hatte.
»Sie sollten Seelenklempnerin werden«, bemerkte Reed abfällig.
Niemandem war es bisher gelungen, ein tieferes Motiv für Clares Verbrechen auszugraben. Ihr Vater, Malcolm Killin, ein müder, kranker Mann, hatte bis auf den Tod seiner Frau, als Clare noch ein junges Mädchen war, von keinen traumatischen Ereignissen zu berichten. Dann waren da noch Clares Zusammenbruch und ihre Depression, ihr Ausscheiden aus dem Beruf der Krankenschwester und vor allem der Verlust ihres ersten Babys.
Keenan hatte sich den Autopsiebericht des Säuglings und die Mitschrift der gerichtlichen Untersuchung besorgt; aus beiden wurde deutlich, dass Clare gelogen haben musste, als sie Mike Novak erzählte, sie habe ihr Kind getötet.
»Wie sehr sie ihn gehasst haben muss«, sagte Dean angewidert, »ihn in diesem Punkt zu belügen.«
»Es sei denn«, sagte Keenan, »sie wollte bewirken, dass er sie hasst.«
»Was für eine arme Verrückte«, sagte Reed.
»Was für eine blutige Tragödie«, sagte Keenan.
Noch eine weitere Tragödie beschäftigte Keenan, ein Albtraum, der sich in seiner Erinnerung immer wieder abspielte: wie die kleine Irina von Sandra Finch weggeholt wurde.
Tony Patston wartete inzwischen auf seinen Prozess wegen der illegalen Adoption, und die Akte über die mögliche Kindesmisshandlung war an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden, doch Sandras Leid dauerte unvermindert an.
Sie hatte Keenan angefleht, ihr so viel über Joannes Tod zu erzählen, wie er nur konnte, und Keenan hatte ihr diesen Wunsch erfüllt, da es ohnehin nur eine Frage der Zeit war, bis Sandra bei der gerichtlichen Untersuchung alles erfuhr – auch, was die Polizei Clare Novaks PC entnommen hatte: dass es Clare gewesen war, die Joanne an dem letzten Morgen angerufen hatte, und dass sie sich als Novaks
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