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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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Moment.
    »Er wirkte sehr verständnisvoll, vielleicht sogar zu sehr. Es fiel ihm schwer, Ärger zum Ausdruck zu bringen. Ich habe ihn als sanften, von Selbstzweifeln geplagten Mann kennengelernt. Carrie – Misses Dekker – war viel wütender als er. Sie hatte einen stark ausgeprägten Beschützerinstinkt, was ihn betraf.«
    »Aber das war nicht das einzige Mal, dass Sie eine Grenze überschritten haben, oder?«, fragte Krull.
    Frieda wandte sich ihm zu.
    »Der Fall entpuppte sich als kompliziert. Alan war adoptiert. Er fand heraus – nein, ich fand es heraus und sagte es ihm –, dass er ein eineiiger Zwilling war. Er hatte einen Bruder, von dem er nichts wusste, auch wenn zwischen den beiden dennoch eine Art Verbindung bestand. Sie sahen viele Dinge gleich, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Verständlicherweise war diese Erkenntnis für Alan höchst beunruhigend. Sein Bruder hatte Matthew entführt. Dean Reeve – ein Name, den inzwischen jeder kennt. Der Lieblingsschurke der Nation.«
    »Der sich umgebracht hat.«
    »Als ihm klar wurde, dass er uns nicht entkommen konnte, erhängte er sich unter einer Brücke bei einem Kanal drüben in Hackney. Wie unerträglich der Gedanke an seinen Bruder für Alan auch gewesen sein mag, gleichzeitig liebte er ihn, oder hatte zumindest das Gefühl, einen Teil von sich selbst zu verlieren, als Dean starb. Bestimmt hat er deswegen sehr gelitten. Aber Carrie meint noch etwas anderes, wenn sie sagt, ich hätte ihn benutzt.« Frieda betrachtete die drei mit ihren großen, dunklen Augen. »Bei einer Gelegenheit«, fuhr sie fort, »habe ich mit Alan gesprochen, um dadurch Zugang zur Denkweise seines Bruders zu finden – um dahinterzukommen, was in Deans Kopf vorging. Ohne Alan davon zu erzählen. Hätte ich es ihm gesagt, hätte es nicht funktioniert.«
    »Sie haben ihn also tatsächlich benutzt?«

    »Ja«, antwortete Frieda. Sie erschraken alle über ihre Stimme, die eher wütend als versöhnlich klang.
    »Sind Sie der Meinung, dass das falsch war?«
    Frieda schwieg ein paar Augenblicke und runzelte dabei angestrengt die Stirn. Sie ließ sich zurückgleiten in die Dunkelheit des Falls, hinein in seine Schatten und die damit verbundene düstere Angst. Wie sich herausgestellt hatte, war ihr Patient der eineiige Zwilling von Dean, einem Psychopathen, der nicht nur Matthew, sondern zwanzig Jahre zuvor auch ein kleines Mädchen namens Joanna entführt hatte. Besagte Joanna, die zum Zeitpunkt ihres Verschwindens ein mageres, schüchternes Mädchen mit Zahnlücke war, dessen Verlust von seiner Familie endlos betrauert wurde, entpuppte sich am Ende als die fette, lethargische Frau von Dean – das ehemalige Entführungsopfer, in aller Öffentlichkeit versteckt und schließlich selbst zur Täterin geworden. Ein DNA-Test hatte bewiesen, dass es sich bei der übergewichtigen Kettenraucherin Terry tatsächlich um die ehemals so magere Joanna mit den Knubbelknien handelte und dass Deans willige Mittäterin ihrerseits ebenfalls ein Opfer von ihm war. Hinzu kam – und daran musste Frieda immer noch denken, wenn sie nachts durch die Straßen Londons streifte, bis sie so müde war, dass sie endlich schlafen konnte, auch wenn die Sache sie bis in ihre Träume verfolgte – die Tatsache, dass Friedas Entdeckung der auffallenden Ähnlichkeit zwischen Alan und Dean die Entführung einer jungen Wissenschaftlerin zur Folge gehabt hatte, deren Leiche nie gefunden worden war. Auch jetzt musste Frieda wieder an das kluge, sympathische Gesicht von Kathy Ripon denken, und an die Zukunft, die sie nicht haben würde. Vielleicht warteten die Eltern der jungen Frau immer noch auf ihre Rückkehr, so dass jedes Mal ihr Herz aussetzte, wenn es an der Tür klopfte.
    Die drei Menschen, die nun als Richter vor Frieda saßen, wollten von ihr wissen, ob sie falsch gehandelt hatte. Als ob es auf diese Frage eine einfache Antwort gäbe – eine Wahrheit,
die nicht unsicher und trügerisch war. Sie blickte hoch und sah die drei wieder an.
    »Ja«, sagte sie sehr deutlich, »ich habe mich gegenüber meinem Patienten Alan Dekker falsch verhalten. Trotzdem weiß ich nicht, ob mein Verhalten insgesamt falsch war. Zumindest glaube ich nach wie vor, dass ich sowohl falsch als auch richtig gehandelt habe. Was Alan an jenem Tag zu mir sagte, führte direkt zu Matthew. Alan hat damit einem kleinen Jungen das Leben gerettet, daran besteht kein Zweifel. Ich dachte eigentlich, er wäre froh darüber, dass er helfen

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