Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
wirklich wieder an die Arbeit. Eva, bring unseren Gast jetzt hinaus.«
    »Und die Probebühne? Ist sie nicht in der ›Grünen Grotte‹?«
    Er packte ganz plötzlich meine Hand und schüttelte sie. »Wissen Sie, Doktor Hieronymus, Sie müssen nicht alle Gerüchte glauben, die Kinder in die Welt setzen. Ich habe Ihnen alles gesagt, was es zu sagen gibt. Und nun entschuldigen Sie mich bitte.«
    Er schüttelte mir die Hand noch einmal übertrieben heftig. Dann verschwand er durch die Tür, aus der die Stimmen drangen.
    Eva hatte die Haare hochgesteckt. Sie ging voran, und ich sah, daß in ihrem Haarknoten eine silberne Spange in der Form eines Adlers mit gespreizten Flügeln stak. Sie hielt mir die Tür auf, als wollte sie mich wie Dreck hinausfegen.
    Ich ging um den schwarzen Felsen herum zum Torhaus. In der Durchfahrt hing immer noch das Plakat mit der verschleierten Frau. Quer über dem Plakat klebte ein Streifen mit der Aufschrift »Ausverkauft«. Ich las den Text. Die Namen der Sänger sagten mir nichts. Es sollte zwei Vorstellungen geben. Am ersten und am zweiten Weihnachtsfeiertag.
    Ich ging die Treppe hoch. An der Tür mit dem Schild »Schloßverwalter« klingelte ich. Die Klingel funktionierte nicht. Ich klopfte.
    Wilhelm öffnete. Er war kein angenehmer Anblick, mit seinem brutalen Kinn und dem Buckel. »Sieh mal einer an, der Mädchenhändler«, sagte er. »Na, wieder auf Damenjagd?« Hinter ihm sah ich seine Frau. Sie hatte sich Wickler in die dünnen Haare gedreht und stand unbeweglich da wie eine Gipsfigur.
    Durch die offene Wohnzimmertür sah ich einen kümmerlichen Weihnachtsbaum mit Strohsternen und echten Kerzen. Wahrscheinlich waren elektrische Wilhelm zu teuer. Ich glaube auch, daß er unter normalen Umständen gewalttätig gegen mich geworden wäre, aber es war schließlich Weihnachten, das Fest der deutschen Liebe. »Gibt es noch Karten für morgen?« fragte ich. »Raus mit dir, du langer Lulatsch!« schrie Wilhelm. Er beließ es nicht bei der Rhetorik, er hatte mich auch am Kragen meiner Jacke gepackt. So schob er mich zur Tür. Er war viel kräftiger als ich, und außerdem schien mir Gegenwehr auch taktisch sinnlos. Ich ließ mich ins Treppenhaus schubsen und ging meiner Wege.
    Es regnete inzwischen. Offenbar hatte sich eine Warmfront aus dem Westen hierher verirrt. Abgase aus dem Talkessel krochen unsichtbar die Berghänge empor.
    Wilhelms Hunde kläfften ohne Pause. »Fröhliche Weihnachten«, sagte ich laut. Und ich meinte es auch wirklich. Meine Laune war zum erstenmal, seit ich hier war, gut. Es hatte den Anschein, daß ich endlich fündig geworden war.
    Ein Stück unterhalb der Rampe, die vom Schloß herabführte, standen ein paar Büsche. Ich schob mich hinein und wartete.
    Die Zeit verrann. Sie steckte in den Tropfen, die das Tauwetter aus den Schneehauben in den Zweigen molk.
    Dann hörte ich endlich Schritte und das Knirschen von Rädern. Doktor Vielbrunn und seine Assistentin gingen vorbei. Sie zogen einen Leiterwagen hinter sich her, auf dem ein großer Topf stand. Ich folgte ihnen in gebührendem Abstand.
    Tatsächlich gingen sie über verschlungene Waldwege auf jenes rote Gebäude zu, das mir der ehemalige Koch des Altersheims gezeigt hatte.
    Ich verbarg mich, so gut es ging, hinter den Stämmen des lichten Waldes. Es war ein seltsames Bild: der massige Doktor Vielbrunn, die kleine Frau in dem braunen Mantel, der dampfende, waschkesselgroße Topf auf dem Wagen. Zwei kräftige Männer kamen die Treppe des Altersheims herab und nahmen den Kessel zwischen sich. Dann verschwanden alle vier durch das Portal des Barockbaus.
    Ich hatte Glück. Die Tür ließ sich leicht öffnen, und im Inneren des Treppenhauses war niemand zu sehen. Die Wände und Fenster waren renoviert. Es roch nach Lack und Desinfektionsmittel wie in einem neuen Krankenhaus. Irgendwo winselte eine Orgel. Die Musik kam von oben, und ich schlich die breite Treppe empor. Aus einem der Fenster sah ich schwere Limousinen im Hof stehen. Eine von ihnen hatte eine schwarzrotgoldene Standarte auf dem Kühler.
    Die Musik kam von einer halb offenstehenden Tür. Ich pirschte mich heran und blickte vorsichtig in den Saal dahinter. Was ich sah, glich einer der grandiosen Visionen meines Namensvetters. Pieter Breughel der Jüngere, genannt der Höllenbreughel.
    Rechts und links der Türfüllung standen wie Karyatiden die beiden Muskelpakete. An den Wänden ringsherum Malereien in süßlichen Farben, frisch restaurierte antike Motive,

Weitere Kostenlose Bücher