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Die Herzensdiebin

Titel: Die Herzensdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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Prolog
    MÄRZ 1951
    später Nachmittag an der Küste von South Carolina
    Im Atelier im vierten Stock des eindrucksvollen Waldemar House brachte Isabelle Benjamin das letzte Gemälde zum Abschluss, das sie je dort anfertigen würde. In der zurückliegenden Woche waren die Lichtverhältnisse vorteilhaft gewesen, Temperatur und Luftfeuchtigkeit noch erträglich. Das Thermometer hatte nie mehr als 26 Grad Celsius angezeigt. Als sie jetzt einen Schritt von der Leinwand zurücktrat, nickte sie zufrieden.
    Das war ohne Zweifel ihr bislang bestes Werk.
    Sie nahm einen dünnen Pinsel zur Hand, tauchte ihn kurz in schwarze Farbe und setzte schwungvoll ihren Namen unter das Bild.
    Dann deckte sie die Farbbehälter ab und säuberte ihre Palette. Die Pinsel wischte sie an einem alten Tuch ab, wusch sie im Waschbecken und breitete sie auf dem Tisch aus. Zuletzt nahm sie ihre Schürze ab und hängte sie an den Haken.
    Warum sie Bedenken hatte, konnte sie sich nicht erklären. Sobald sie fort wäre, würde Bradley all die Dinge, die ihn an sie erinnerten, in den Mülleimer werfen. Aber sie ging jede Wette ein — würde sogar um die Zukunft ihrer Tochter wetten —, dass er es vermutlich nicht übers Herz brächte, ihr Gemälde wegzuwerfen. Falls sie sich irrte ... nun, dann wäre das ein Verlust für die Kunstwelt.
    Allerdings würde keiner je etwas davon erfahren.
    Sie hob die Leinwand an. Sie war groß und unhandlich und noch zu feucht; nichtsdestotrotz spannte Isabelle sie sorgfältig in den schweren, vergoldeten Rahmen. Sie bog die kleinen Halterungen nach unten, die das Bild hielten, drehte den Rahmen dann herum und betrachtete das Werk. Aus Versehen hatte sie mit den Fingern ein kleines Detail an den Rändern verschmiert, aber sie ließ sich rasch etwas einfallen und schuf einen unscharfen Hintergrund, der den kleinen Makel verbarg. Die Farbe würde die Leinwand im Rahmen gleichsam versiegeln; niemand würde je versuchen, Bild und Rahmen zu trennen. Bestimmt nicht Bradley ... Sie verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln, eine Träne löste sich aus den Wimpern und lief ihr über die Wange.
    Aber sie wischte sie rasch fort. Genug davon. In den vergangenen zwei Jahren hatte sie schon zu viel geweint.
    Ihre Ehe war vorüber. Es war längst an der Zeit gewesen, einen Schlussstrich zu ziehen.
    Das Gemälde in beiden Händen haltend, trug sie es in die Kinderstube im dritten Stock.
    Der Raum war geradezu perfekt. Rosafarbene, gerüschte Vorhänge hingen in gestärkter Pracht vor den langen, altmodischen Fenstern. Ein farbenfrohes Alphabet mit versetzt angebrachten Buchstaben zierte die Wand, und jeder Teddybär saß in seiner Nische. In dem blitzsauberen, antiken Kinderbettchen waren weiße Laken über eine feste Matratze gespannt, und das schlafende drei Monate alte Baby war in eine rosafarbene Decke gehüllt. Es lag auf dem Bauch, um die Koliken abzumildern. Die Kleine bewegte ab und zu die süßen, rosigen Lippen, als träumte sie von der Milch, und es brach Isabelle erneut das Herz, wenn sie daran dachte, wie sehr ihr Mann und ihre Schwiegermutter sie gedrängt hatten, das Kind nicht mehr selbst zu stillen.
    Aber Isabelle ließ sich nicht länger schikanieren. Es würde keine kalte, harte Kinderstube mehr für Sharon geben. Sie würden fliehen. Und frei sein.
    Die Amme saß mit verdrießlicher Miene im Schaukelstuhl und las eine gekürzte Reader's-Digest-Fassung von Les Miserables .
    Isabelle quittierte die Ironie der Situation mit einem dünnen Lächeln.
    Sowie Isabelle das Zimmer betrat, erhob Mrs. Graham sich höflichkeitshalber, aber ihr Respekt war nur vorgetäuscht. »Kann ich Ihnen helfen, Madam?«
    »Ich wollte nach Sharon schauen. Würden Sie die Kleine für mich nach unten bringen?«
    »Wenn Madam von einer erfahrenen Kinderfrau einen Rat annehmen möchte, so halte ich es für keine gute Idee, ein Kind, das für die Nacht schlafen gelegt wurde, wieder aus dem Schlaf zu reißen. Eine solche Handlung gibt ein schlechtes Beispiel ab und führt später im Leben zu tadelnswerten Angewohnheiten.«
    »Geht es nach Ihnen, wird das Kind bereits verdorben, wenn man es auf den Arm nimmt, sobald es weint. Und füttern soll man es auch nicht, wenn es Hunger hat.«
    Angesichts dieser Anschuldigung spannte Mrs. Graham sich erschrocken an.
    Noch nie hatte Isabelle in Gegenwart der Amme so offen gesprochen. Bis dahin hatte sie immer nur versucht, das Beste aus einer verfahrenen Situation zu machen, war Kompromisse eingegangen, in

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