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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Wir sind übrigens Ihrer Nation bis heute dankbar, daß Sie dem Kaiser Exil gewährt haben.«
    Er zündete sich eine Zigarette an und blies mir den Rauch ins Gesicht. Dann warf er die Karte wieder in den Koffer.
    »Ich habe mir erlaubt, da reinzuhören.« Er zeigte auf die CD. »Keine gute Aufnahme. Viel zu kühl interpretiert. Ohne Herz. Diese Lieder sind doch keine Couplets.« Er lächelte. »Darf ich Sie übrigens zu einem Abschiedstrunk einladen? Wir haben noch zwanzig Minuten Zeit, bis Ihr Zug kommt.« Er schnippte mit dem Finger. »Ober, zwei Kognak bitte.«
    Endlich hatte ich meine Sprache wiedergefunden. »Was sind Sie nur für ein Mensch!« Meine Stimme klang flach. Sie zitterte wie bei einem Schauspielschüler während der Prüfung. »Sind Sie überhaupt einer? Das war wohl alles Ihre Inszenierung. Das Holzscheit mit den Initialen des Kaisers!«
    »Ein hübscher Einfall, nicht wahr? Natürlich nur für Eingeweihte.«
    Der Kognak kam. Er hob das Glas. Ich hob es. Wir stießen an. Verfügte er über hypnotische Kräfte? Ich hatte meine Hand überhaupt nicht unter Kontrolle.
    »Und die Szenen in der Grünen Grotte? Was hatten Sie mit uns vor? Mit Schläfti und mir!«
    »Haben Sie nie etwas von Aktionstheater gehört? Man bezieht den Zuschauer ein. Die Grenzen zwischen Akteuren und Zuschauern sind genauso fließend wie zwischen Spiel und Wirklichkeit.«
    »Sie steckten auch hinter dem Mord an Derbacher, habe ich recht?«
    »Mord, mein lieber Hieronymus, ist ein sehr schwer auszusprechendes Wort. Sie müssen das ›r‹ deutlicher rollen. Es gehört auf die Zungenspitze, nicht in den hinteren Rachen.«
    »Wenn es Mord war, wird es Ihrer Organisation das Kreuz brechen.«
    »Wovon reden Sie? Was meinen Sie mit Organisation? Auch ein Wort mit ›r‹ übrigens, einem ›r‹, das weiter hinten gesprochen wird. Es liegt Ihnen offenbar mehr.«
    »Ich meine Ihre Bewegung. Die Nachtlöhner, oder wie Sie sich auch nennen. Sie vertreten faschistische Ideale.«
    Er lachte fröhlich. In der Tat war mir das Wort »faschistisch« völlig mißglückt. Ich hatte unsäglich genuschelt bei seiner Aussprache.
    »Wirklich, ein dankbarer Zungenbrecher für einen Ausländer«, sagte er. »Aber trösten Sie sich mit dem Inhalt. Er hat nichts mit den Klischees aus der Nazizeit zu tun. Es handelt sich um eine Art volksnahe Vernunft, Herr Hieronymus. Übrigens kommt Ihr Zug gleich. Hier ist Ihre Karte. Ausgestellt bis zur ehemaligen Grenze.«
    »Was haben Sie mit meinem Freund vor?«
    »Wir werden ihn einbeziehen. Aktionstheater. Sie wissen doch. Er ist ein begabter Amateur. Den Affen zum Beispiel hat er hervorragend gespielt.«
    Er erhob sich und zog ein Kuvert aus der Jacke. Er reichte es mir, und ich steckte es ein. Als hinge ich in den Fäden eines Marionettenspielers.
    Er nahm meinen Koffer und brachte mich bis auf den Bahnsteig. Ich stieg ein.
    Als wir fuhren, sah ich ihn auf dem Perron stehen. Er winkte lächelnd. Der Deutschling. Durch die schmutzige Scheibe sah er wie ein Phantom aus. Ein gutaussehendes Phantom. Keine finstere Gestalt. Auch keine Lichtgestalt. Weder Mephisto noch Faust. Eher ein höchst veredelter Wagner. Ohne das Bärtchen war sein Gesicht viel ausdrucksvoller.
    Ich starrte aus dem Fenster. Mir war schlecht vor Wut. Die Landschaft begann vorbeizugleiten wie die künstlichen Lofoten in Dicks Pleorama. Ich sah das Schloß, den Park, den See. Er war grau. Das Tauwetter hatte den gefrorenen Schnee auf seiner Oberfläche geschmolzen. Mein Blick fiel auf das Schwanenhaus. Bis heute weiß ich nicht, ob ich wirklich etwas bemerkt hatte, eine Bewegung in den Fenstern eines der Türmchen vielleicht. Aber ich wußte plötzlich, wo Dick sich versteckte.
    Ein lautes Pfeifsignal kündete die Einfahrt in den Tunnel an. Wir fuhren durch den Tunnel und dann eine lange Flußschleife entlang. Es gab ein paar Stromschnellen. Damit sollten wir eigentlich ganz gut zurechtkommen, dachte ich.
    Der Zug hielt. Auf dem Bahnsteig sah ich nur einen einzigen Menschen. Ich kannte ihn. Seine verrenkte Gestalt hatte sich mir für alle Zeiten eingeprägt.
    Ich stieg aus. »Kommen Sie«, sagte er. Es war, als hätte er auf mich gewartet. »Der Gegenzug fährt erst in einer Stunde. Zeit genug für einen guten Kaffee.«
    Er hakte sich bei mir unter. Wir gingen langsam. Er schlenkerte die Beine von sich wie Pinocchio.
    Es war nicht weit bis zu seinem Häuschen. Es lag direkt am Fluß, ein kleines Behelfsheim, vollgestopft mit Büchern. Es war sehr

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