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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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noch nicht drüben. Wer weiß, ob man uns nicht in ein leeres Wachhäuschen sperrt.«
    »Du kennst die Geschichte vom wartenden Kaiser?«
    »Klar. Ich habe sie sogar drucken lassen, in einer ganz kleinen Auflage. Sie ist gut.«
    »Und dieses ganze Theater im Schloß? Edwin? Vielbrunn? Die Komtesse Stasi, Wilhelm, die unterirdische Luxus jacht?«
    »Ich war nie dort. Aber ich habe Gerüchte gehört. Es sind Alldeutsche. Auch Vielbrunn übrigens. Sie scheinen Theater als Gedächtnisform zu benutzen. Sie halten sich allzeit bereit, Leben im stand-by sozusagen. Irgendein Kaiser wird schon kommen.«
    »Woher weißt du das alles?«
    »Von Derbacher.«
    »Du hast mit Heinz unter einer Decke gesteckt. Und mit Volz. Vielleicht auch mit diesem kleinen Poeten, der die Geschichte vom wartenden Kaiser geschrieben hat. Ihr wart eine Art Gegenverschwörung, stimmt’s? Du kannst mir jetzt endlich erzählen, was ihr vorhattet.«
    Dick lachte. Er lachte meinem Empfinden nach zuviel in der letzten Zeit. »Jaja, du hast recht. Wir waren so etwas wie ein Verein. Ein Verein zum Schutze der Humanität. Eine Art Gefühlsgreenpeace, weißt du. Wir wollten diesem Neofaschismus hier eine Art Riegel vorschieben. Es war der reinste Blödsinn. Unser Gegner ist einfach zu raffiniert. Es sind gar keine Faschisten. Jedenfalls nicht im üblichen Sinne. Sie sind kaisertreu. Sie warten nur auf das richtige Wetter für seine Rückkehr. Auf Kaiserwetter. Es muß ein Sonnenuntergang sein nach einem schönen Tag. Ein richtiger, blutroter Sonnenuntergang, der alles in seinen Farben ertränkt.«
    »Was hältst du von Edwins Inszenierungen? Sie wirken überhaupt nicht kaisertreu. Sie sind morbide, satirisch.«
    »Das ist ihre Stärke. Sie verklären den Kaiser nicht. Sie feiern ihn im vollen Zwielicht seiner Person. Deshalb wird man auch nichts gegen sie ausrichten. Die Polizei ist zu dumm und zu korrupt.«
    »Ich habe Fotos von Derbachers Mördern.«
    »Zwecklos. Sie werden nicht besonders scharf sein. Fotos kann man außerdem manipulieren.«
    »Ich werde einen Bericht verfassen und zusammen mit den Fotos an ein westdeutsches kritisches Journal schicken. Das wird einiges ins Rollen bringen.«
    »Romantiker! Im Grunde bist du ziemlich deutsch, mein lieber Piet. Überleg es dir gut, ob du nicht lieber hier bleiben solltest. Verlaß dich darauf, daß sie gut vorbereitet sind. Sie werden im nächsten Herbst eine Theaterwoche veranstalten, wo sie die Wilhelminische Ära als Revue inszenieren. Kritisch natürlich, im Zeitgeist sozusagen, aber so, daß sie ihre Anhänger begeistern. Ich sage dir, die Deutschlinge sind wieder unaufhaltsam im Vordringen.« Er kuschelte sich wieder in seine Ecke und schloß die Augen.
    Eine junge Dame kam durch den Wagen. Die Uniform wirkte auf billige Weise flott, wie der hilflose Versuch, die Welt des Fliegens auf die Schienen zu holen. »Personalwechsel«, sagte sie. »Ihre Karten bitte.« Dick petzte die Augen noch mehr zusammen.
    »Wir haben keine«, sagte ich und lächelte unsicher, wie man es nur kann, wenn man die Tür des Paradieses hinter sich schließt und nicht weiß, ob man es betreten oder verlassen hat. »Dann müssen Sie nachlösen«, sagte sie freundlich. »Wohin reisen Sie?«
    »Nach Sumatra«, knurrte Dick mit geschlossenen Augen. Sie begann, in einem dicken Buch zu blättern, in dem offenbar die Zielorte der Bahn verzeichnet waren. »Da scheint es aber keinen Bahnhof zu geben«, sagte sie.

Zwölftes Kapitel
    A m frühen Nachmittag des 29. Dezember trafen wir in Rotterdam ein. Wir waren völlig übernächtigt und fast pleite. Die lange Bahnfahrt hatten wir im Zustand halber Betäubung, geschüttelt und gerüttelt wie zwei Kinder im Kinderwagen, hinter uns gebracht. Ich entsinne mich vage an einen Zwischenstop im Frankfurter Bahnhof. »Die Freiheit ist ein Alptraum«, hatte Dick bemerkt. »Das ist ein Fortschritt, wenn man aus einer Gegend kommt, wo sie immer noch ein Märchen ist.«
    Wir kratzten unser letztes Geld zusammen und fuhren im Taxi die vierzig Kilometer nach Süden in Dicks Heimatstädtchen Zieriksee. Ich hatte übrigens die Reise in Doorn unterbrechen wollen, um einen Blick in des Kaisers Welt zu werfen, aber Dick hatte sich geweigert. »Mach, was du willst«, hatte er gesagt. »Ich jedenfalls habe die Schnauze voll von Schlössern.«
    Jetzt stand ich in seiner Stammkneipe am Tresen, trank ein Heineken und sah zu, wie Dick mit sich allein eine Runde Karambolage spielte. Er wirkte wie ein gerade

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