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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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    I
    Sein Gesicht war so narbig wie der Mond. Er war groß, breitschultrig und kompakt, ohne untersetzt zu sein, obwohl man sah, dass er es einmal werden würde; er hatte schon den stämmigen Rumpf eines alten Mannes. Seine Ohren waren elefantös, was ihm besonders in jüngeren Jahren, als sie noch weit von seinem Kopf abstanden, viele Bemerkungen eingetragen hatte. Doch inzwischen waren sie nachgedunkelt wie der Rest seines der Sonne ausgesetzten Fleisches und lagen eng am Schädel an, hart geworden und körnig wie die Schale einer Frucht. Er war glatt rasiert, die Haut großporig und ölig. Bei bestimmtem Licht wirkte sie grau, bei anderem fahl, bei wieder anderem rot. Seine Lippen hatten dieselbe Farbe angenommen wie das Gesicht, waren darin aufgegangen, im Verschwinden begriffen. Seine Nase war groß und knollenförmig. Die Augen kornblumenblau. Die Wimpern nicht mehr der Rede wert, während sie früher, als er ein kleiner Junge war, dicht und schwarz gewesen waren, seine Wangen blühend und die Lippen so rein und fein geformt wie bei einer Putte. All dies hatte dazu geführt, dass die Frauen gar nicht anders konnten, als ihn zu küssen, sich zwischen anderen Verrichtungen hinunterzubeugen und ihn an ihre Brust zu drücken. Die vielen Schwestern seiner Mutter aus Arkansas, an die er sich nicht mehr erinnerte, Schatten von Schatten in seinem Bewusstsein. Ach, mein Süßer, hatten sie gesagt. Mein Lämmchen.
    Seine Arme waren dunkel von der Sonne und mit alten Narben übersät. Er kämmte sich die Haare über den Kopf, ein dunkler, schütterer Flügel, mit Pomade gehalten, die nach Kiefern roch.
    Er betrachtete die Welt – die Dinge vor seinen Augen – wie aus weiter Ferne. Denn während er auf der Erde herumlief, bewegte er sich zugleich noch in anderen Sphären. Manchmal, in bestimmten Jahreszeiten, bei bestimmten Lichtverhältnissen, setzten sich Erinnerungen auf ihn wie Vögel mit scharfen Krallen: ein Kopf, der sich zwischen Blättern nach ihm umdrehte, in einem Zimmer aufflackerndes Laternenlicht. Und es gab andere ständige Gedanken, die er nur halb wahrnahm, obwohl sie ihn zu allen Zeiten beschäftigten: gegenwärtige und frühere Aufgaben in seinen Obstgärten; Wünsche, die er als junger Mann gehabt hatte, Sorgen, Ängste, von denen ihm nur noch die Hülsen im Gedächtnis geblieben waren; Bäume, die er zu pflanzen gehofft hatte, Experimente mit dem Pfropfen und Bewässern; Marmeladenrezepte; Kellertemperaturen; chemische Kombinationen zur Vergiftung oder wenigstens Abschreckung aller möglicher Schädlinge – Rehe, Kaninchen und Nagetiere, eines Universums von Insekten; wie man Bienen züchtete. Wichtig waren das Wetter und der Verlauf bestimmter Jahre, die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung, meteorologisch betrachtet, und ihre Bedeutung für die Landschaft; die Weisheit der Almanache, das, was andere Männer, andere Obstgärtner, sagten, all das Unwichtige, vor allem aber das Wichtige. Er überlegte, wo er im nächsten Herbst auf die Jagd gehen würde. Machte sich unablässig Gedanken über den Zustand seines Landes, seines Grundbesitzes, seiner Gebäude, seiner Tiere. Und vor allem dachte er an das Wetter in der laufenden Woche, die Temperatur, den Niederschlag oder die Wahrscheinlichkeit von Regen; an jüngste Katastrophen und seinen Umgang damit; an den Stand der Jahreszeit; an seinen eigenen Stand im starren Gerüst seiner Pflichten – daran, was er an diesem Tag, an diesem Nachmittag und Abend, zu tun hatte, was für die Arbeit des nächsten Morgens noch zu erledigen war; wann die Männer kamen, war er auf sie vorbereitet? Aber natürlich war er das, er war immer vorbereitet, was war er sonst, wenn nicht vorbereitet. Er dachte an die Momente in seinem Leben, da er etwas gesagt hatte – zu Caroline Middey oder zu Clee, zu seiner Mutter oder einem Fremden, der sich längst nicht mehr an ihn erinnerte –, das er gern rückgängig gemacht oder anders gesagt hätte, und auch an jene Momente, in denen er geschwiegen hatte, obwohl ein einziges Wort genug und wichtig gewesen wäre. Er versuchte, sich an jedes Wort zu erinnern, das er je zu seiner Schwester gesagt hatte, seiner eigenen Gemeinheit oder Gedankenlosigkeit nachzuspüren, seiner möglichen Taubheit gegenüber diesem oder jenem Tonfall von ihr. Wie lange das alles her war. Manchmal sorgte er sich, dass er sie vergessen könnte, dabei hatte er – er gab es ungern zu – schon viel vergessen.
    Jetzt raschelten hinter ihm

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