Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
mir eine verfilzte Haarsträhne aus der Stirn und gönnte meinem Spiegelbild sogar ein ermutigendes Grinsen. Heute war alles anders. Der erste Tag meines neuen, unbehelligten Lebens brach an.
Gut, das war vielleicht ein etwas theatralischer Blick auf den Stand der Dinge, aber Fakt war, dass ich mich zum ersten Mal seit unserer Ankunft hier auf die Schule freute.
Ich freute mich auf meine bisher einzige Freundin Kathy, die erst am Vortag aus ihrem Feriencamp heimgekehrt war, auf einige andere Schüler meiner Stufe und kurioserweise sogar auf manch einen Lehrer. Am meisten jedoch – und das war der eigentliche Grund für meine gute Laune – freute ich mich auf neue Schüler.
Ich erwartete niemanden Bestimmte s, im Gegenteil. Wer kommen würde, war mir völlig egal. Ich freute mich auf die Ankunft neuer, fremder Schüler, die mich nach den nervenzehrenden Monaten vor den Sommerferien endlich von meinem unfreiwilligen Sonderposten ablösen würden. Ab heute war ich nicht mehr die Neue.
Soweit ging zumindest meine Hoffnung, auf die ich mich innerhalb der letzten Wochen dermaßen versteift hatte, dass sie mittlerweile einer Gewissheit glich. Ich war mehr als zuversichtlich, heute mal ausnahmsweise nicht wie ein Affe im Käfig angegafft zu werden.
Zwei Monate vor den großen Ferien waren wir nach Little Rose gezogen. Wir, das waren mein Vater David, mein Bruder Jason und ich. Dad war als einer der besten Filmregisseure Englands bekannt. Nach dem Erfolg seines letzten Films bekam er gleich mehrere Angebote großer amerikanischer Filmstudios, die er selbst als unablehnbar bezeichnete. Eine Zeit lang hatte er mit dem Gedanken gespielt, zwischen Manchester und L.A. hin und her zu pendeln. Doch als ihm klar wurde, dass die Dreharbeiten mindestens anderthalb Jahre beanspruchen würden, diskutierte er den Umzug mit uns.
Ich schlug vor, er sollte doch alleine gehen, doch mein Dad wäre nicht mein Dad gewesen, hätte er das tatsächlich getan. Niemals hätte er uns allein in England zurückgelassen. Mit viel Geschick hatte er unsere kleine Familie nach dem frühen Tod meiner Mutter schon durch einige Krisen und weitaus weniger glamouröse Zeiten manövriert, und so schuldete ich ihm einfach den Gefallen, tapfer mit seinem Entschluss umzugehen. Leicht fiel mir das nicht. Ich liebte England nämlich und ganz besonders mein Manchester.
Mit der prallen Sonne, die hier an durchschnittlich 325 Tagen im Jahr schien, konnte ich überhaupt nichts anfangen. Andauernd wurde mir schwindlig vor Hitze und meine anfänglichen Hautprobleme entpuppten sich schnell als eine Allergie gegen Sonnenschutzmittel. Gegen alle. Mir blieb also die Wahl zwischen ungeschützt und verbrannt oder eingecremt und hoffnungslos verpickelt , Juckreiz inklusive – und so lief ich ständig mit hochrotem Kopf durch die Gegend. Meine von Natur aus blasse britische Haut wehrte sich schlichtweg gegen die Sonne, was sollte ich tun?
Mein älterer Bruder Jason hatte mit der Umstellung keinerlei Probleme. Gesegnet mit den Genen unserer Mum – unempfindliche Haut und dunkelbraunes Haar – fieberte er dem Umzug nach Kalifornien förmlich entgegen.
S o sehr ich mich auch bemühte, ich empfand nicht einmal den Hauch von Jasons Begeisterung, als wir in den Vereinigten Staaten von Amerika ankamen. Ich vermisste alles, was mein ehemaliges Zuhause ausgemacht hatte: Meine Freunde, meine Schule, das Wetter und vor allem Jane, unsere liebe Haushälterin, die sich so lange um uns Kinder gekümmert hatte. Sie wollte England nicht verlassen, nicht einmal für uns. Dad hätte das ganze Unterfangen daraufhin beinahe wieder abgeblasen, aber mit Jason im Nacken und den verlockenden Verträgen am Haken entschloss er sich schließlich doch zu gehen.
Mein erster Tag in den USA verlief niederschmetternd.
In einer Limousine, angemietet durch die neue Produktionsfirma meines Vaters, chauffierte uns ein älterer Mann namens Sam vom Flughafen zu unserem neuen Haus. L.A. selbst war ... nun ja, in meinen Augen charmelos und unspektakulär. Protzig anmutende Palmenalleen und Parks, die mich an die Grünanlagen von Disneyland erinnerten, wechselten sich in anderen Stadtteilen ab mit breiten, teils stark beschädigten Straßen und Gebäuden mit flachen Dächern und abblätterndem Putz.
A m Rande der kalifornischen Stadt säumten ordentlich gepflasterte Gehwege die Straßen. Die Häuser dieser Gegend schienen aus ihren akkurat angelegten Vorgärten zu wachsen und erinnerten mich an das
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