Bloodseal: Flucht ins Ungewisse (German Edition)
darauf hätte ich mir eine scheuern sollen. Aber ich tat es nicht, wartete nur auf Cass’ Reaktion. Wer weiß, vielleicht sah er es ja auch und ich war gar nicht so verrückt, wie ich gerade dachte? Vielleicht war das in dieser Stadt ja normal?
„Schimmernde Menschen? Stehst du auf Science-Fiction?“ Er schlug mir wieder auf die Schulter, sodass meine Wirbelsäule der Bewegung folgen musste, damit kein Gelenk ausgekugelt wurde. Wenn er das öfter machte, würde ich noch erheblichen Schaden davontragen.
Er begann zu lachen. „Du gefällst mir. Bist witzig und nicht auf den Mund gefallen. Außerdem bist du mit Sicherheit einzigartig.“
Er sah es also nicht …
Matthew Tempson:
„Ich hasse es!“
Als sie heute Morgen zu mir herübergestarrt hatte, dachte ich schon, sie hätte mich wiedererkannt. Vielleicht hat sie das auch?
Aber sie war ohne ersichtliche Regung weitergegangen, und dass man am ersten Schultag die Umgebung begutachtete, war ja nichts Ungewöhnliches. Aber warum ging sie erst jetzt zur Schule? Sie musste doch schon mindestens eine Woche hier leben.
Ich beobachtete sie den ganzen Tag lang. Immer wenn sie die Gänge entlangkam oder von einem Klassenraum in den nächsten flüchtete, um den neugierigen Schülern auszuweichen. Den Kopf hatte sie dabei meistens eingezogen, um den nervigen Blicken der anderen zu entkommen. Und dennoch war mir aufgefallen, dass sie mich hin und wieder angesehen hatte.
Durch die Gespräche der anderen hatte ich ihren Namen aufgeschnappt. Lorianna Ambers. Allem Anschein nach wollte sie aber von jedem Lora genannt werden, da sie ihren langen Namen nicht mochte.
Aber was interessierte mich das? Ich hatte überhaupt keine Zeit, um mich mit ihr zu befassen, nicht einmal gedanklich. Ich musste mein Leben auf die Reihe bringen und dabei half das Beobachten eines fremden Mädchens nicht im Geringsten.
Seit einigen Tagen pulsierte Amandas Tattoo unaufhörlich und nahm mir zunehmend meine Kraft. Und meine Nerven. Ich wollte das einfach nicht schon wieder machen … Noch dazu, da das letzte Mal erst etwa vier Wochen her war. Die Abstände wurden immer kürzer. Vielleicht hatte Amanda ja recht und ich würde ohne sie nicht lange überleben.
Ich biss auf mein Lippenpiercing, starrte ins Leere und fragte mich, wie lange ich wohl noch durchhalten würde. Ein, vielleicht zwei Tage, mehr war wahrscheinlich nicht drin, aber …
Einer der Lehrer, Mr Novalt, zog durch die Gänge. Seine affektierte Art fiel schon dem größten Phlegmatiker an dieser Schule auf. Er versuchte immer alles unter Kontrolle zu haben. Als ob das bei hirnlosen, hormongesteuerten Jugendlichen funktionieren würde. Seine brünetten, gegelten Haare glänzten im Neonlicht und ich war sicher, ich könnte mich darin spiegeln. Von seinem falschen Lächeln hatte er bereits unzählige Falten in den Mundwinkeln und um die Augen.
Als er an mir vorbeikam, starrte er mein Tattoo einen Augenblick lang finster an.
Andere rannten mit ihren PSPs oder von irgendwelchem Zeug zugedröhnt durch die Gänge, aber er starrte mich an …
Er gehörte zu der Sorte Erwachsener, die es auf den Tod nicht ausstehen konnten, wenn Minderjährige gepierct oder tätowiert waren. Und ich war gleich beides. Aber keiner von den Lehrern sprach mich jemals darauf an, außer Mr. Colt, unser Sportlehrer – war ja auch seine Pflicht oder so was. Aber darüber sollte ich mir wirklich keine Gedanken machen. Immerhin hatte ich ein verdammtes Blutsiegel an meinem Hals. Und schlecht war mir auch schon wieder. Vorhin hatte mich eines der Mädchen aus meinem Physikkurs gestreift und in mir war sofort dieser Drang wach geworden, mich in den nächsten Abfalleimer zu übergeben. Und er war immer noch da.
Mr Novalt ging wortlos weiter. Ich seufzte, worauf ich sofort Nicks Aufmerksamkeit auf mich zog. Nach einem kurzen Blickwechsel schob er mich von der Klassentür weg, weiter ins Getümmel, bis wir abgeschieden vor einem der unzähligen Notausgänge standen. „Hey, Mann, was …“
Ein flüchtiger Blick in die Glasscheibe hinter Nick und ich wusste, was los war. Obwohl sie die letzten Tage nicht zu sehen gewesen waren, strahlten sie jetzt schon fast wie eine batteriebetriebene Attraktion in meinem Gesicht. Die Kreuze in meinen Augen. „Scheiße!“
„Warum kannst du nicht im Wagen bleiben? Willst du demnächst anstatt der Neuen das Gesprächsthema hier sein?“ Er drückte mir seine Sonnenbrille in die Hand. „Dann kannst du mir eine Karte aus der
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