Blut - Skeleton Crew
späte Frühling … in der Stadt haben sie von einem schwarzen Frühling gesprochen … sie sagten, es hätte in dieser Gegend seit 1888 keinen mehr gegeben …«
Mit »sie« war zweifellos nur Mrs. Carmody gemeint, die in Bridgton ein Antiquitätengeschäft hatte, einen Trödelladen, in dem Steffy von Zeit zu Zeit gern herumstöberte. Billy liebte es, sie dorthin zu begleiten. In einem der düsteren, verstaubten Hinterzimmer spreizten ausgestopfte Eulen mit goldumringten Augen für immer ihre Flügel, während ihre Klauen ewig lackierte Holzstücke umklammerten; ein Trio ausgestopfter Waschbären stand um einen Bach herum, der aus einem langen Stück eines verstaubten Spiegels bestand; und ein mottenzerfressener Wolf, aus dessen Maul statt Speichel Sägemehl rann, stieß ein ewiges grausiges Knurren aus. Mrs. Carmody behauptete, ihr Vater hätte den Wolf an einem Septembernachmittag des Jahres 1901 geschossen, als dieser zum Trinken an den Stevens-Bach gekommen wäre.
Die Ausflüge in Mrs. Carmodys Trödelladen lohnten sich für meine Frau und meinen Sohn. Sie interessierte sich für farbiges Glas, er interessierte sich für den Tod in Form ausgestopfter Tiere. Aber ich war der Meinung, dass die alte Frau einen negativen Einfluss auf Steffs Verstand ausübte, der in jeder anderen Hinsicht ausgesprochen praktisch und nüchtern war. Sie hatte Steffs wunden Punkt entdeckt, eine Art geistiger Achillesferse. Steffy war allerdings nicht die Einzige in der Stadt, die von Mrs. Carmodys mittelalterlichen Warnungen und Volksheilmitteln (die immer im Namen Gottes verschrieben wurden) fasziniert war.
Abgestandenes Wasser konnte Quetschungen heilen, wenn ein Ehemann zu der Sorte gehörte, die nach drei Drinks allzu leicht handgreiflich wurde. Man konnte vorhersagen, wie der nächste Winter sein würde, indem man im Juni die Ringe an den Raupen zählte und im August den Umfang der Honigwaben maß. Und nun also, Gott beschütze und bewahre uns, DER SCHWARZE FRÜHLING VON 1888 (fügen Sie selbst so viel Ausrufungszeichen ein, wie Sie wollen). Ich hatte diese Geschichte auch gehört. Sie erfreut sich in dieser Gegend großer Beliebtheit – wenn der Frühling sehr kalt ist, wird das Eis auf den Seen schließlich so schwarz wie ein verfaulter Zahn. Es kommt selten vor, ist aber kaum ein Jahrhundertereignis. Wie gesagt, die Geschichte wird hier gern verbreitet, aber kaum jemand kann sie mit so viel Überzeugungskraft vortragen wie Mrs. Carmody.
»Wir hatten einen strengen Winter und einen späten Frühling«, sagte ich. »Und jetzt haben wir einen heißen Sommer. Und es hat einen Sturm gegeben, aber er ist vorbei. Du bist nicht du selbst, Stephanie.«
»Das war kein gewöhnlicher Sturm«, sagte sie mit heiserer Stimme.
»Nein«, sagte ich. »Darin stimme ich mit dir überein.«
Ich hatte die Geschichte vom Schwarzen Frühling von Bill Giosti gehört, dem GIOSTI’S MOBIL in Casco Village gehörte. Bill führte die Tankstelle zusammen mit seinen drei Säufer-Söhnen (gelegentlich halfen auch seine vier Säufer-Enkel – wenn sie zufällig einmal nicht damit beschäftigt waren, an ihren Schneemobilen und Dreckschleudern herumzubasteln). Bill war siebzig, sah aus wie achtzig und konnte, wenn er in Stimmung war, immer noch trinken wie ein Dreiundzwanzigjähriger. Billy und ich hatten unseren Scout Mitte Mai zum Volltanken hingebracht, einen Tag, nachdem ein überraschender Sturm der ganzen Gegend dreißig Zentimeter nassen, schweren Schnee beschert hatte, der das junge Gras und die Blumen unter sich begrub. Giosti hatte schon ziemlich tief ins Glas geschaut und uns begeistert die Geschichte vom Schwarzen Frühling erzählt, die er mit eigenem Garn ausschmückte. Aber hier schneit es manchmal noch im Mai; zwei Tage später ist es dann wieder vorbei. Das ist nichts Besonderes.
Steff betrachtete zweifelnd die heruntergefallenen Stromleitungen. »Wann werden die Leute vom E-Werk kommen?«
»Sobald sie können. Es wird nicht lange dauern. Mach dir wegen Billy keine Sorgen. Er ist ein aufgeweckter Junge. Er vergisst seine Kleider aufzuräumen, aber er wird bestimmt nicht auf Stromkabel treten. Er besitzt einen gesunden Selbsterhaltungstrieb.« Ich berührte ihren Mundwinkel, der gehorchte und sich zum Ansatz eines Lächelns krümmte. »Besser?«
»Bei dir sieht immer alles gleich besser aus«, sagte sie, und das gab mir ein gutes Gefühl.
Von der Seeseite des Hauses rief Billy, wir sollten herkommen und schauen.
»Komm
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