Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Sicherheit zu sagen. Wenn er näher war, widersprach das allen Naturgesetzen, denn der Wind – eine ganz leichte Brise – wehte ihm entgegen. Natürlich war das ein Ding der Unmöglichkeit. Er war sehr, sehr weiß. Das Einzige, womit ich ihn vergleichen kann, ist frisch gefallener Schnee, der in grellem Kontrast zu einem strahlenden tiefblauen Winterhimmel steht. Aber Schnee reflektiert tausend- und abertausendfach die Sonne, und diese seltsame Nebelbank sah zwar hell und klar aus, aber sie funkelte nicht. Steff hatte unrecht gehabt – Nebel ist an klaren Tagen nichts Ungewöhnliches, aber wenn er sehr stark ist, bildet sich durch die Feuchtigkeit fast immer ein Regenbogen. Aber hier sah man keinen Regenbogen.
    Das Unbehagen stellte sich wieder ein und nagte in mir, aber bevor es deutlicher werden konnte, hörte ich ein leises Motorengeräusch – wutt-wutt-wutt –, gefolgt von einem kaum hörbaren »Scheiße«. Das Motorengeräusch wiederholte sich, aber diesmal war kein Fluch zu hören. Beim dritten Mal folgte nach dem Rumpeln ein leises »Verflucht noch mal!« im selben leisen Ich-bin-ganz-allein-und-was-hab-ich-die-Schnauze-voll-Ton.
    Wutt-wutt-wutt-wutt –
    – Stille –
    – dann: »Du Drecksding!«
    Ich grinste. Die Akustik war hier draußen ausgezeichnet, und all die kreischenden Motorsägen waren ziemlich weit entfernt. Weit genug, dass ich die nicht gerade salonfähigen Ausdrücke meines nächsten Nachbarn vernehmen konnte, des angesehenen Anwalts und Seeufergrundbesitzers Brenton Norton.
    Ich schlenderte näher ans Wasser heran, wobei ich so tat, als wollte ich das auf unserem Wellenbrecher gestrandete Dock begutachten. Jetzt konnte ich Norton sehen. Er befand sich auf einem Teppich aus alten Tannennadeln auf der Lichtung neben seiner überdachten Veranda und trug farbbekleckste Jeans und ein eng anliegendes weißes T-Shirt. Seine 40-Dollar-Frisur war zerzaust, Schweiß rann ihm übers Gesicht. Er kauerte auf einem Knie und hantierte an einer Säge herum. Sie war viel größer und besser ausgestattet als meine kleine Value-House-Maschine für 79,95 Dollar. Sie schien wirklich mit allem ausgestattet zu sein – außer einem Anlasserknopf. Norton zerrte an einer Schnur, brachte aber nur jene lustlosen Wutt-wutt-wutt-Geräusche zustande, und sonst nichts. Mein Herz lachte, als ich sah, dass eine gelbe Birke auf seinen Picknicktisch gefallen war und diesen in zwei Teile zerschmettert hatte.
    Norton zog mit aller Kraft an der Anlasserschnur. Wutt-wutt-wuttwuttwutt – WAT! WAT! WAT! … WAT! … Wutt.
    Fast hätt’s geklappt, Junge.
    Eine weitere herkulische Anstrengung.
    Wutt-wutt-wutt.
    »Scheißmaschine!«, flüsterte Norton wütend und starrte seine teure Säge zähnefletschend an.
    Ich ging zum Haus zurück und fühlte mich zum ersten Mal seit dem Aufstehen richtig wohl. Meine Säge sprang beim ersten Mal an, und ich machte mich an die Arbeit.
     
    Gegen zehn Uhr tippte mir jemand auf die Schulter. Es war Billy, eine Bierdose in einer Hand, Steffs Einkaufsliste in der anderen. Ich stopfte den Zettel in die Gesäßtasche meiner Jeans und griff nach dem Bier, das zwar nicht gerade eiskalt, aber immerhin kühl war. Ich trank fast die Hälfte davon in einem Schluck – selten schmeckt ein Bier so gut – und prostete Billy mit der Dose zu. »Danke, Freund.«
    »Kann ich ’nen Schluck haben?«
    Ich ließ ihn von meinem Bier nippen. Er schnitt eine Grimasse und gab mir die Dose zurück. Ich leerte sie und ertappte mich dabei, dass ich sie zusammendrücken wollte. Für zurückgegebene Flaschen und Dosen gibt es nun schon über drei Jahre lang das eingesetzte Pfand zurück, aber alte Gewohnheiten lassen sich eben nur schwer abstellen.
    »Sie hat unten auf die Liste noch was draufgeschrieben, aber ich kann ihre Schrift nicht lesen«, sagte Billy.
    Ich holte die Liste wieder aus meiner Tasche. »Ich kann WOXO im Radio nicht bekommen«, lautete Steffs Notiz. »Glaubst du, dass der Sturm den Sender unterbrochen hat?«
    WOXO ist der UKW-Sender für Rockmusik. Die Station befindet sich in Norway, etwa zwanzig Meilen nördlich von uns, und ist die einzige, die wir mit unserem alten, schwachen Gerät auf UKW empfangen können.
    »Sag ihr, vermutlich ja«, meinte ich, nachdem ich ihm ihre Frage vorgelesen hatte. »Frag sie, ob sie auf Mittelwelle Portland bekommen kann.«
    »Okay. Daddy, darf ich mitkommen, wenn du in die Stadt fährst?«
    »Klar. Du und Mami, wenn sie Lust hat.«
    »Okay.« Er rannte

Weitere Kostenlose Bücher