Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
aus. »Hab ihren Anführer ein bisschen erschrocken, als ich aufgetaucht bin. Er hat sich in die Hosen gemacht. Ist es wohl nicht gewohnt, dass man ihm Paroli bietet.«
»Craig Mathis und seine Gang. Das ist nicht das erste Mal.« Sie atmete seufzend aus. »Ich werde mich darum kümmern, dass sie bestraft werden. Zum Glück bist du im richtigen Moment vorbeigekommen. Wir sind einfach zu unterbesetzt …« Ihre Hände flatterten wie Schmetterlinge, und in dem blassen Novemberlicht glitzerte ihr Ehering.
»Freut mich, dass ich helfen konnte. Ich geh dann mal.«
Sie steckte ihm die Hand hin. »Dank dir, Adam. Ich wünsche dir nur das Beste. Du hast dich zu einem bemerkenswerten jungen Mann entwickelt.«
Ihre Worte ließen ihn verstummen. Sein ganzes Leben lang hatte er sich darum bemüht, unauffällig zu sein. Der stille Junge, der aus der letzten Reihe die Klasse beobachtete, ungehört und ungesehen. So unauffällig, dass er nicht einmal Ärger anzog. Es war ihm egal, dass der Rest der Welt ihn nicht bemerkte – die einzige Aufmerksamkeit, die er wollte, war die seines Vaters. Schließlich ergriff er ihre Hand und schüttelte sie.
»Auf Wiedersehen, Mrs Chesshir.«
Er ging den gleichen Weg zurück, den er gekommen war. Er spürte ihren Blick im Rücken, und zwischen seinen Schulterblättern juckten ihn Schweißtropfen. Es war nicht gut, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Er sollte seine alten Gewohnheiten beibehalten. Sich im Schatten verstecken, beobachten und abwarten. Dann blickte er zurück und sah, wie Darrin am Zaun lehnte und ihm hinterherwinkte. Als wollte er verhindern, dass Adam wegging. Als sei Adam seine letzte und einzige Hoffnung. Er kannte das Gefühl. Er hatte es zu oft selbst gehabt. Und seine Hoffnungen waren zu oft zerstört worden. Wie damals in Cleveland, als Morgan und Dad wegfuhren und ihn der Polizei überließen. Er würde nicht zulassen, dass Darrin das Gleiche passierte. Er würde seinen Bruder nicht im Stich lassen. Er musste nur noch herausfinden, wie ihm das gelingen konnte.
Es war acht Monate her, dass sie Adam in Cleveland abserviert hatten, und endlich, zum allerersten Mal, ließ Clint Morgan den nächsten Fisch aussuchen und an Land holen. Und, Mann oh Mann, das war vielleicht ein Fisch. Morgan hatte sich vorgenommen, Clint vom Wert der Geduld, des Auskundschaftens und der Recherche zu überzeugen. Verflucht, vielleicht würde er sogar doch noch das Internet benutzen. Na ja, vielleicht auch nicht. Das war okay, dafür hatte er ja Morgan. Egal wie, er hatte festgestellt, dass Morgan um so vieles nützlicher war als der dumme Adam. Obwohl Adam älter war und sein ganzes Leben mit Clint verbracht hatte. Ihm fehlten einfach die angeborenen Instinkte, die Morgan hatte. Er eignete sich nicht so gut für das Familiengeschäft wie Morgan.
Kurz nach 5.00 Uhr morgens fuhr der Fisch von der Auffahrt. Sie arbeitete als Ärztin in der Notaufnahme im Krankenhaus von Akron, aber sie hatte die ganze Woche frei und ihren Kollegen erzählt, dass sie eine Hütte im Cuyahoga-Valley-Nationalpark gemietet hatte. Sie wollte ein bisschen Langlaufski machen, am Kamin sitzen und über ihren Exverlobten hinwegkommen und endlich mit dem Roman anfangen, von dem sie schon seit Jahren sprach. Sie würde keines dieser Dinge tun. Morgan senkte das Fernglas, und Clint schaltete den Lieferwagen einen Gang höher, um dem Fisch zu folgen. Die einsame Hütte draußen in der Wildnis, wo niemand ihre Schreie hören könnte … das war das Beste. Clint würde seinen Spaß haben.
Die letzten Fische hatten sie immer in ihren Häusern erledigt. Alleinstehende Frauen, deren Häuser weit genug von den Nachbarn entfernt standen, so dass keine Geräusche zu hören waren. Clint und Morgan hatten ihre eigenen Ketten und eine Reihe anderer Spielzeuge mitgebracht, aber jetzt, da es Clint vor allem darum ging, die Fische abzuschlachten, fand er seine Freude daran, mit den Gegenständen zu improvisieren, die gerade griffbereit waren. Der letzte Fisch war Bergsteigerin gewesen und wohnte in der Nähe von Seneca Rocks. Was hatten sie nicht für einen Spaß mit all den Seilen und Karabinern und Kletterhaken gehabt. Aber die jetzt? Eine Ärztin? Morgan wusste, dass sie in ihrem Kofferraum einen Notfall-Koffer einschließlich diverser Skalpelle aufbewahrte. Morgan liebte scharfe Klingen einfach. So hell und glänzend … und umso besser, wenn daran frisches Blut klebte.
Kapitel 9
Jenna hatte mehr Geduld, als Lucy ihr
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