Blutige Nacht
Hollywood, in dem die beiden häufiger zusammen waren. Das ist alles. Damit werde ich zurechtkommen müssen.
Das Letzte, worum ich sie bitte, ist ein Foto von Raya, das ich herumzeigen kann. Reesa glaubt, eines in ihrer Umkleide zu haben, und holt es. Ich blicke ihr nach. Sie erinnert mich an das Meer. Ich zünde mir eine Zigarette an … und warte.
Als sie zurückkommt, reicht sie mir den Schnappschuss eines attraktiven vierzehnjährigen Mädchens mit gefärbtem schwarzem Haar im Punker-Stil, das die Kamera dabei erwischt hat, wie es die Augen verdreht. Die Ähnlichkeit mit Reesa ist nicht zu leugnen. Ich stecke es ein.
Auch wenn ich gern noch etwas hiergeblieben wäre, so hänge ich doch an der kurzen Leine meiner eigenen Abhängigkeit und sage deshalb zu Reesa, dass ich mich darum kümmern würde, stürze meinen Drink hinunter und stehe auf.
»Wollen Sie keine Vorauszahlung?«, fragt sie und blinzelt mich neckisch an. »Ich dachte, so funktioniert das.«
Sie greift in ihr Kleid und fördert einen Packen Hunderter zutage. Ich will nicht erst darüber nachdenken, wo sie ihn verwahrt hatte, denn momentan stehe ich direkt vor ihr.
»Reichen tausend für den Anfang?« Gern hätte ich ihr gesagt, sie soll es wegstecken, es aufbewahren, bis ich ein paar Ergebnisse liefern kann. Das wäre die elegante Vorgehensweise. Doch das tue ich nicht. Ich nehme es. Ich nehme es und verstecke es in meiner Tasche wie etwas Anstößiges. »Das reicht fürs Erste.«
»Wollen Sie denn nicht nachzählen?«
»Ich vertraue Ihnen.«
»Aber Sie kennen mich doch gar nicht.«
»Das muss ich auch nicht. Ich weiß, wo ich Sie finden kann.«
Ein letztes Lächeln. Ein letzter Blick. Ich versuche, mir dieses Bild in mein Gedächtnis zu brennen. Ich möchte sie ganz genau vor Augen haben, wenn ich später davon träume, dieser Barhocker zu sein. Ich drehe mich um und gehe den gleichen Weg zurück zur Tür. Zigarettenrauch, der wie eine Schneckenspur hinter mir herzieht, ist der einzige Beweis, dass ich gekommen und gegangen bin.
Kapitel 3
I ch gehe zurück zum Wagen. Setze mir einen Schuss. Lasse den Motor an. Fahre. Jeder Laden, jede Straße, die an mir vorbeizieht, weckt eine Erinnerung an frühere Zeiten, und wie jedes Mal muss ich die Meilensteine der geisterhaften Vergangenheit von L.A. mit denen von heute in Einklang bringen. Der eisige, landeinwärts ziehende Nebel, der vom Pazifik hereinkommt, lässt die gesamte Stadt noch gespenstischer aussehen.
Ich biege in Fairfax rechts ab und fahre nach Süden. Das gleichbleibende Paar Scheinwerfer im Rückspiegel lässt mich darüber nachdenken, ob ich vielleicht beschattet werde. Mit wachsender Anspannung in der Brust biege ich bei der nächsten Möglichkeit nach links ab, um es herauszufinden. Die Scheinwerfer, die zu einem älteren Ford-Pick-up gehören, brausen ohne die kleinste Verzögerung hinter mir vorbei. Der Knoten in meiner Brust löst sich. Ich schüttle den Kopf und zünde mir eine Kippe an. Vielleicht werde ich mit dem Alter so langsam paranoid, doch es gibt etwas, das ich über die Jahre in diesem Job gelernt habe, und das ist, dass Paranoia sich bezahlt macht.
Ich wende, fahre weiter durch Fairfax und halte auf dem kleinen Parkplatz hinter dem großen Canter’s Delicatessen -Schild. Ich habe das Canter’s geliebt, damals, als ich noch feste Nahrung verdauen konnte. In den Dreißigern, als das Feinkostrestaurant noch in Boyle Heights angesiedelt war, bin ich nach den Auftritten zum Essen dorthin. Dann habe ich immer das Pastrami-Sandwich bestellt, weil es so schön fettarm und blutig war. Ich habe die Sachen damals schon blutig gemocht.
Ich steige aus und gehe hinein, nicht auf der Suche nach einem Pastrami-Sandwich, sondern nach einem Münztelefon. Zu dieser Stunde ist es dort hell und geschäftig. Der Geruch nach fettigem Essen zieht über mich hinweg, lässt meinen empfindlichen Magen aufstoßen. Ich muss tief Luft holen und gehe zum Telefon hinüber. In Momenten wie diesem überdenke ich meine hartnäckige Weigerung, mir ein Handy zuzulegen.
Ich schlage meinen Notizblock auf, werfe ein paar Münzen in den Schlitz und wähle Vin Prince’ Nummer. Seine Assistentin, ein keckes Frauenzimmer namens Barbara, meldet sich. Ich nenne einen falschen Namen, der sich jüdisch anhört, und verlange nach dem Boss, doch sie sagt mir, er sei den ganzen Abend nicht erreichbar. Ich spiele ihr vor, stinksauer zu sein, sage Babs, ihr Boss und ich hätten uns eigentlich auf einen
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