Blutorangen
Moment entscheidet darüber, ob der richtige Rechtsanwalt oder Richter an dem Fall beteiligt ist und eine Verurteilung herbeiführt. In diesem Fall gab es keinen Zeugen. Manchmal klappt es. Meistens nicht.
»Jerry Dwyer hat es verdient, diesen Typen am Galgen zu sehen«, sagte ich.
»Dann tu’ etwas, Kleine.«
»Joe... «
»Niemand hat mich gehört.«
»Das macht es noch schlimmer.«
»Entschuldige.«
Der Himmel war jetzt dunkellila, weil es ein bißchen diesig war als die Sonne unterging, und die Ampel an der Kreuzung leuchtete blutrot. Gegenüber setzte ein Laster bei einer Texaco-Tankstelle klappernd zurück. Automotoren heulten an der Auffahrt zum Freeway 5 in Richtung Süden auf. Das Leben ging weiter.
Ich lächelte Joe schief an. Mein Mittelfingerknöchel berührte seinen Handrücken, als ich kurz stehenblieb.
»Wann wirst du zurück sein?«
»Früh.«
Das bedeutete sieben Uhr. Joe war kein Frühaufsteher. Früh ist fünf Uhr, sechs spätestens, aber dann ist es noch dunkel und die meisten von uns sind, ich muß es zugeben, leider doch Beamte. Man sieht es an unserer Gehaltsabrechnung. Ich kenne Leute, die in der Raumfahrt arbeiten, und die stehen früh auf.
»Ich werde da sein.« Ich ging schon zu meinem Auto, als ich ihn fragen mußte, »Wie geht es Jennifer?«
»Gut, gut. Sie ist befördert worden.«
»Sie ist also glücklich?«
Er zuckte mit den Schultern.
Ich folgte seinem Blick zu dem Ende des gleichen Bandes nahe den Damentoiletten. Die Tür war aufgebrochen, etwas, das ich vorher nicht bemerkt hatte. Wir sahen uns an. »Jemand hat sie benutzt«, sagte ich.
»Verdammt«, sagte Joe.
Joe ging zurück, um dem Neuling die Leviten zu lesen, während ich mein Auto aufschloß. Als ich die Tür öffnete, beleuchtete das Wagenlicht etwas im Gras unter der Hecke an der ich geparkt hatte. Ich bückte mich und hob ein rundes, goldenes, metallenes Ding in der Größe einer Walnuß auf. Es hatte hinten ein kleines Loch und Rillen am Rand.
Ich wollte Joe nicht stören, und wollte mich auch nicht mit Billy K. herumärgern, wollte nichts in einer Plastiktasche mit Aufkleber sehen, das wahrscheinlich gar kein Beweisstück war. Das Metallteilchen lag zu weit weg, im Gras, weit weg von dem Absperrband. In einem Moment des Zweifels machte ich die Tür zu und ging ein, zwei Schritte auf den Laden und Joe zu. Und dann drehte ich mich um. Warum ihn jetzt stören, wenn er sich austoben muß. Als ich im Auto saß, nahm ich ein Papiertaschentuch und legte mein goldenes Etwas hinein, drehte die Enden zu und steckte es in meine rechte Jackentasche.
Auf dem Weg nach Hause dachte ich über unseren VBA nach und er tat mir leid. Wenn der Neuling mal mußte und auf die Damentoilette ging, weil die Herrentoilette versiegelt war, dann war das nicht so schlimm. Wenigstens war es nicht die abgeklebte Tür gewesen. Vielleicht wüßten wir morgen mehr.
Mit Patricia konnte man wirklich Spaß haben. Sie zu sehen täte mir jetzt richtig gut. Ich rief sie an und fragte sie, ob wir uns bei Chi-Chi’s in Huntington Beach in der Nähe ihrer Wohnung treffen könnten.
Wie wir beide je Freundinnen werden konnten, verstehe ich bis heute nicht. Wir sind völlig verschieden. Patricia ist über einsachtzig groß, hat ellenlange hübsche Beine, dunkelrote Haare mit blonden Strähnen und eine Kinderstimme. Als ich ihre Stimme zum erstenmal hörte, dachte ich, sie wollte mich auf den Arm nehmen, aber so spricht sie wirklich. Und alle Männer lieben sie. Sie macht selbst Witze darüber, daß sie etwas flach gebaut ist, aber es beeinträchtigt ihre unzähligen Verabredungen in keiner Weise.
Ich habe sie auf dem Parkplatz bei Alisos Beach kennengelernt, nachdem ich mich atemlos gejoggt hatte — wessen Idee das überhaupt gewesen war, fragte ich mich hinterher und schwor diesem Sport für immer ab. Ich legte gerade einen Gang ein, als sie humpelnd vom Strand kam und gleichzeitig »Au!« sagte und lachte. Der kleine Typ, der bei ihr war, tänzelte vor ihr her, hielt sie auf Armeslänge um die Taille und sagte: »Mist, Mann.« Mit einer Hand hielt sie sich an seinem Kopf fest und mit der anderen hob sie ihren Fuß hoch, an dem das Blut rot und glänzend wie eine aufgeschnittene Tomate zu sehen war, mit Sand statt Salz am Rand. Ich eilte ihnen zu Hilfe. Ich gab ihr ein Taschentuch aus meiner Handtasche und sagte ihr, sie solle es in ihren Schuh stecken, bis wir sie irgendwo hingebracht hätten. Der kleine Typ haute ab mit den Worten, er
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